[A-DX] Ionosphärengeflüster

Nils Schiffhauer
Do Okt 31 08:58:33 CET 2013


Moin, moin - ausgehend von meinem Paper über semiprofessionelles Monitoring
(http://ratzer.at/pdf/Intruder_DK8OK.pdf) erreichte mich per P-Mail eine
interessante Anfrage dahingehend, was es denn heute so an Möglichkeiten für
"Amateure" gibt (grob gesagt).
Die Antwort könnte ja auch hier einige interessieren:

Zunächst einmal zur Theorie:
Basis dieser Fadingsachen ist die ITU-Empfehlung REC-F.1487:
http://www.itu.int/dms_pubrec/itu-r/rec/f/R-REC-F.1487-0-200005-I!!PDF-E.pdf

Dann gibt es für uns Funkamateure zumindest drei Fadingsimulatoren mit je
etwas unterschiedlichen Eigenschaften:
http://www.moetronix.com/ae4jy/pathsim.htm
http://dl6iak.etonlein.de/projects/2000-11-15.htm
http://www.w7ay.net/site/Applications/cocoaPath/Contents/Download.html

Gute Simulierungsmöglichkeiten mit verschiedenen Waveforms/Kanalcodierungen
bieten zudem die Kanalmodelle von Matlab, einführend:
http://www.mathworks.de/products/communications/description5.html 

Sie alle simulieren zumindest die unterschiedlichen ITU Channels. Ich habe
vor allem mit dem W7AY-Simulator umfangreiche Tests verschiedener
Amateurfunk-Digimodes unter unterschiedlichen Bedingungen gemacht und die
z.T. überraschenden Ergebnisse & Empfehlung veröffentlicht in "Amateurfunk
heute", Baden-Baden, 2013, S. 74f.

In einer umfangreichen E-Mail-Korrespondenz wies W7AY zu Recht darauf hin,
dass die Kanalmodelle ein wenig strenger ausfallen als Mutter Natur es
zulässt: tatsächlich kommen 100prozentige Auslöschungen eben nicht vor.
Seine Empfehlung: noch einen dritten Kanal zu instgallieren, der das Signal
nicht ins gänzlich Bodenlose fallen lässt.

Passive Beobachtungen bieten am bequemsten DRM-Signal und die P/N-Sequenzen
von STANAG4285-Sendungen.

DRM: Hier zeigt DREAM im Modul "Channel" u.a. die Anzahl, Stärke und
relative Verzögerung der einzelnen Wege ("Impulse Response")
STANAG: Mit dem PSK-Sounder lassen sich die gleichen Werte für die Waveform
graphisch darstellen (http://www.qsl.net/zl1bpu/SOFT/PSKSounder.htm). 

Amateurfunkbaken nutzen meines Wissens alle diese intelligenten
Möglichkeiten nicht (oh, eine Ausnahme, dazu später); sie halten mit
analogen Sendern (Drift!) vor allem das CW-Fähnlein hoch:
http://www.ncdxf.org/beacon/intro.html
Die beste Auswerte-Software hierfür bietet FAROS
(http://www.dxatlas.com/Faros/), die bei genauer Einstellung (AGC OFF!)
wenigstens eine SNR-Schätzung und eine Messung Short/Long Path vornimmt.

Auch das dichte WSPR-Netz bietet nur eine quantitative Auswertung
("Signalstärke/SNR", nicht aber Mehrwegausbreitung):

Lediglich die RSGB hat mit ihrem 5-MHz-Projekt etwas wirklich
zukunftsweisendes auf die Beine gestellt, das trotz kostenlos und
diskriminierungsfrei erhältlicher Software keine Nachahmer fand:
http://www.rsgb-spectrumforum.org.uk/5mhz%20beacons.htm
DAS wäre der von Dir gewünschte Ansatz!

Professionelle Ionosonden (z.B. http://umlcar.uml.edu/digisonde.html)
arbeiten nach ähnlichen Konzepten, HF-Radare wie JORN ebenfalls.

HF-Prognoseprogramme:
AREPS ist nicht mehr zugänglich, und schon vorher wurde die Funktion
"Raytracing" aus dem Programm genommen.
PropLab ist im 3D-Modus das Mittel der Wahl und simuliert auch Ionogramme
zwischen zwei Standorte; aber das dauert auch auf schenllen Rechnern:
http://www.spacew.com/www/skycom.html
ASAPS6 kennt im neuen DigiHF-Mode Empfehlungen, die Zeit- und
Frequenzkombinationen mit Gefahr starker Mehrwegausbreitung signalisieren:
http://www.ips.gov.au/Products_and_Services/1/1

Software, die die Referenzionosphäre in Matlab umsetzt und aktuelle
Korrekturen aufnimmt, ist erst am Start (z.B. TaiWan Ionospheric Model TWIM
oder IONORT).

Zusammenfassend: Während es über die quantitative Ausbreitung mit
Amateurmitteln schon eine Menge gibt, sind die Möglichkeiten einer
qualitativen Beurteilung weiterhin dünn gesät. Und meiner Erfahrung
interessieren sie die Zielgruppe auch nicht sonderlich ;-)

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73, Nils, DK8OK