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[A-DX] Wie kommt es eigentlich, dass in allen Radioprogrammen die selben Musiktitel laufen?


  • Subject: [A-DX] Wie kommt es eigentlich, dass in allen Radioprogrammen die selben Musiktitel laufen?
  • From: Mario König <mario_koenig@xxxxxxxx>
  • Date: Thu, 11 Aug 2005 00:09:50 +0200

Hallo - ALLE ZUSAMMEN,

den folgenden Artikel habe ich auf der Medienseite der "Berliner Zeitung" in
der Dienstagsausgabe vom 9. August 2005 gefunden.

Einen schönen Mittwoch und "good DX"
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin - Mario König -


Wie kommt es eigentlich, dass in allen Radioprogrammen die selben Musiktitel laufen?

Es gibt wohl nur wenige Menschen, die regelmäßig von Flensburg nach
Garmisch-Partenkirchen fahren. Dennoch spielt diese Strecke eine nicht unbedeutende Rolle, wenn sich die Diskussion um die musikalische Vielfalt beziehungsweise Einfalt in der deutschen
Radiolandschaft dreht.
Wer von Flensburg nach Garmisch reist, bekommt zwar viele Sender zu hören,
aber immer wieder dasselbe Musikprogramm. Aktuelle Hits, nicht tot zu kriegende
Evergreens, Mainstream -
das ist der Standard im Bundesgebiet. Wie aber kommt es zu der weit
verbreiteten Auffassung, dass dieser Einheitsbrei besonders schmackhaft ist?
Schuld sind mal wieder die Amerikaner. Anfang der 50er Jahre begann eine
Radiostation in Omaha, nur noch wenige angesagte Songs zu spielen. Die Hörer reagierten dermaßen entzückt auf diese Selbstbeschränkung, dass immer mehr Sender dem Beispiel folgten. Ohne mit der Wimper zu zucken, reduzierten einige Radiomacher ihre Playlist auf 40 Titel
plus ein paar Hits.
150 Titel am Tag. Mittlerweile sind mehr als 50 Jahre vergangen, und bei vielen deutschen Radiosendern sind es immerhin zwischen 150 und 350 Titel, mit denen das Tagesprogramm bestritten wird. Der Zufall wird bei der Zusammenstellung dieser Playlists kategorisch ausgeschlossen.
Grundregel 1:
Weil die durchschnittliche Verweildauer bei einem Sender lediglich 20 Minuten beträgt, muss in dieser Zeit jedes Genre durchgenudelt werden, mit dem die Radiostation auf
Hörerfang geht.
Zwei Balladen hintereinander? Zu viele Sängerinnen in zu kurzer Zeit? Mensch
und Computer wissen das zu verhindern. Der Begriff "Formatradio" kommt eben nicht daher,
dass der Sender Format hat, sondern von dem Wort "formatieren".
Wie aber schafft es ein Titel auf die Playlist? Eine zentrale Rolle spielen
dabei die Hörerbefragungen. Mindestens monatlich fragen die Radiomacher ausgewählte Zuhörer, welche Songs sie mögen und welche nicht. Heben nur drei von zehn Leuten anerkennend den Daumen, landet das Lied auch schon im Archiv. Ein entscheidendes Kriterium ist zudem die Frage: Was spielen die anderen? Es soll Sender geben, die ihren Mitarbeitern Bleistift und Papier in die Hand drücken und sie auffordern, dem Konkurrenzprogramm zu lauschen. Einfacher ist der Blick auf die Charts, die von der Firma Nielsen Music Control Woche für Woche
ermittelt werden.
Ausgewertet wird vollautomatisch das Programm von 113 Mainstream-Sendern,
von denen 76 für die Chartliste berücksichtigt werden. Welche das sind, bestimmt ein
Gremium aus Vertretern der Plattenindustrie.
Nur die Top 100, bewertet werden die registrierten Songs nach einem Punktsystem, das aktuelle Songs bevorzugt. Um in die Top 10 zu kommen, muss ein Titel zwischen 500 und 600 Mal pro Tag gespielt werden. Bei 76 berücksichtigten Sendern, kann sich jeder ausrechnen, wie oft ein und derselbe Titel bei ein und derselben Station läuft. Zudem gilt: Je schneller ein Song in den Charts vorrückt, desto mehr Sender kommen auf die Idee, das Liedchen in ihr Repertoire aufzunehmen. Es gibt sogar Radios, die grundsätzlich nur das spielen, was bereits in den Top 100 gelandet ist. Auf diese Weise potenziert sich das Einerlei. Der derzeitige Spitzenreiter ist übrigens Daniel Powter mit "Bad Day" - bereits seit Wochen. Das heißt: Man muss noch nicht mal von Flensburg nach Garmisch fahren, um auf diesen Song allergisch zu reagieren.

- Marcus Bäcker -

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