[A-DX] Radio Nordsee International

["Uwe Volk" <mail@xxxxxxxx>]

Werte Liste,
OM Klaus Führlich aus Radebeul bei Dresden hat sich die Mühe gemacht,  
einige
Informationen über Radio Nordsee International zusammenzutragen. Hier  
sein
Bericht:

*****
30. Jahrestag des Programmstarts deutscher Piratenprogramme von Radio
Nordsee International

28. Februar 1970 - ein nasskalter Wintertag in Mitteleuropa. Morgens  
um 6
Uhr eröffnet Radio Nordsee International mit dem ID:"Man of action"  
von Les
Ried und DJ Horst Reiner sein deutsches Programm. Was war vorangegangen?
Edwin Bollier und Erwin Meister, beides Schweizer Hotelliers, erwerben 2
Schiffe, die "Bjarkoy" und die "Silvretta". Aus ersterem wird das
Tenderschiff "Mebo I" , aus zweitem das Radioschiff "Mebo 2". Von den
Behörden unbemerkt wird im Hafen von Slikkerveer/Holland der Umbau zu  
einem
Radioschiff vollzogen. Am 22.01.70 verläßt man den Hafen und ankert
ausserhalb der nationalen Gewässer vor der holländischen Küste. Am  
23.01.70
um 22.30 Uhr starten die non-stop Testsendungen mit Ansagen in  
deutscher( DJ
Horst Reiner) und englischer( DJ Roger Day) auf Kurzwelle 6.210 kHz.  
und UKW
102 MHz. Am 11.02.70 nimmt auch der Mittelwellensender 1.610 kHz. den
Sendebetrieb auf. Erinnerung geblieben ist die Ansage von DJ Horst
Reiner:"Auf der Mittelwelle ganz rechts, wenn`s bei ihnen ganz links  
ist,
steht ihr Radio verkehrt rum". Die Wahl der Kurzwellenfrequenz etwas
außerhalb des 49-m-Bandes gewährleistete ganztägig und der
Mittelwellenfrequenz am Bandende morgens und in den Abend-und  
Nachtstunden
einen störungsfreien Empfang ohne großen Antennen- und  
Empfängeraufwand mit
einfachen Portables. Beginnend mit dem 18.02.70 wird die Crew der  
DJ`s an
Bord aufgestockt, erste Lifetests gehen über die Antenne und der Tender
"Mebo 1" pendelt zwischen Sendeschiff und holländischer Küste.
Ab 28.02.70 ist das deutsche Programm im Rahmen der täglichen  
Sendezeit von
6 - 24 Uhr in den 2 Sendeblöcken 6-8 und 18-20 Uhr zu hören (die  
andere Zeit
in englisch) mit den DJ Horst Reiner und Hannibal. Das Programm wird  
life
auf dem Radioschiff produziert, 2 Studios stehen zur Verfügung. Das  
Programm
besteht zu 90 % aus Popmusik, mit Ansagen, Jingles und  
Kurznachrichten mit
Wetterbericht incl. der "Mebo-2-temperature" zur vollen Stunde. Kurze
Werbespots tauchen erst später auf.
Ab 04.03.70 weitet man die Sendezeiten aus: Programmschluß ist nun  
erst um
2.Uhr morgens,.damit verlängert sich die deutsche Abendsendung auf 3  
Stunden
bis um 21 Uhr. Wenig später gibt es am Wochenende zwischen Freitag  
abend und
Montag morgens keinen Sendeschluß mehr, RNI erfreut sich sowohl auf dem
Europäischen Festland als auch im UK wachsender Beliebtheit. Am 23.03.70
nachmittags lichtet man den Anker und nimmt Kurs auf die englische  
Küste,
die man am nächsten Morgen erreicht. Unerwartet kommt es zu extremen
Interferenzstörungen mit englischen Regional-
stationen. So wird am 27.03.70 erst der Mittelwellensender, am  
1.04.70 alle
Sender aus dem Äther genommen.
Am 10.04.70 ist RNI zurück. Das Störsender nicht nur eine Erfindung des
Ostblocks sind, muss man nun an Bord des Radioschiffes erfahren. Trotz
häufiger Frequenzwechsel, u.a. auf Mittelwelle 1.578,   1. 385 und 1.230
kHz. , bleiben die Jammingsignals von der Naval radio station  
Rochester/Kent
RNI im Nacken, auch die Kurzwellen-frequenz wird zeitweise gestört.  
Doch der
Popularität kann dies keinen Abbruch tun. Erste Fanclubs entstehen  
und am
14.06.70 findet ein Protestmarsch zur Unterstützung von RNI in London  
vom
Hyde Park zum Trafalgar Square statt. Das Britische Post- und
Fernmeldeministerium zeigt sich unbeeindruckt. Am 14.07.70 heißt es von
dort: "Solange RNI im Äther ist, solange laufen unsere Störsen-der  
weiter."
Am 23.07.70 beendet man das Programm um 10.55 Uhr. Mit Unterstützung  
eines
Kranschiffes wird der Anker gelichtet und es geht zurück an den alten
Liegeplatz vor der holländischen Küste bei Scheveningen. Am 24.07.70  
um 7
Uhr beginnt das Programm wieder vor Holland, glücklicherweise  
unbehelligt
von Störern. Am 30.07.70 mittags werden erneut alle Sendungen  
eingestellt.
Am 4.08.70 auf UKW und ab 5.08.70 auch auf der Kurzwelle werden die
Sendungen wieder aufgenommen, die tägliche Sendezeit nun von 6 Uhr  
morgens
bis 3 Uhr in der Nacht. Programmsprache ist nun ganztägig englisch, ein
deutsches Programm ist nicht mehr von der "Mebo 2" zu hören.  
Lediglich in
dem ab 22.09.70 auf der Kurzwelle sonntags ab 9 Uhr ausgestrahlten  
"World
Service" sind mitunter deutsche Ansagen und Kurzprogramme zur  
Piratenscene
zu hören.
Letztmalig am 31.08.74 kommen deutsche Sendungen von der "Mebo 2", die
Abschiedssendungen beleuchten nochmals die ereignisreiche  kurze  
Geschichte
der Station.
Diese kommen aber nicht mehr live vom Sendeschiff, sondern sind
vorproduziert und kommen mit dem Tender "Mebo 1" neben Diesel,  
Lebensmittel
und Personalwechsel zum Radioschiff "Mebo 2".
Wechselvoll ist die Geschichte von RNI bis zum Sendeschluß am  
31.08.74 vor
der holländischen Küste. Stürme, Probleme mit der Sendetechnik und nicht
zuletzt ein Brandanschlag vom Kontrahenten "Radio Veronica" am 15.05.71
organisiert und der Riss der Ankerkette am 22.11.71 mit  
anschließender Drift
in holländische Gewässer sorgen für neue Probleme. Der Sendeschluß am
31.08.74 erfolgte, da ab September 1974 das EU- Gesetz des Verbotes der
Unterstützung von Radio- und TV-Stationen in internationalen  
Gewässern auch
in Holland in Kraft trat
Im September 1974 werden die Schiffe einer gründlichen Überholung
unterzogen. Das geplante Projekt: "Radio Nova International" vor der
Italienischen Küste im Golf von Genua kann nicht verwirklicht werden.  
Die 2
Schiffe werden schließlich an Libyen verkauft.

*****

Einige technische Daten zum Radioschiff "Mebo 2":
Länge: 60m Breite: 9m Tonnage: 570 BRT
Höhe des Antennenmastes: 52m
Generatoren: 2 x 250 KW Strüver-Diesel
Sendeanlagen:
MW-Sender RCA 105 KW Leistung mit vertikaler Marconi-Antenne
2 KW-Sender mit je 10 KW Leistung mit Inverted V - Antennen
UKW-Sender R & S mit 1 KW Leistung

Die Station verwendete die Adressen:
Postbus 117, Hilversum/Holland
P.O.Box 113,Zürich/Schweiz

Literaturhinweis:Jim Parkes  "Encyclopedia of Offshore Radio"
                            Offshore Echo`s magazine, 12/96

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