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[A-DX] AW: [A-DX] Medien-Politik:Senderschließung in Venezuela
- Subject: [A-DX] AW: [A-DX] Medien-Politik:Senderschließung in Venezuela
- From: "JL" <JLohuis@xxxxxxxxxxx>
- Date: Sun, 27 May 2007 19:29:07 +0200
Hallo, Wohin sich Venezuela unter Hugo Chávez entwickelt, wird die Zukunft zeigen. Es ist aber wohl verständlich, wenn einem Sender, der den Putsch gegen Chávez unterstützt hat, die Lizenz nicht verlängert wird. Zu diesem Thema ein Kommentar aus der taz vom 16.1.07: Begrenzte Vollmachten In Venezuela werden die basisdemokratischen Rechte geradezu explosionsartig ausgeweitet - und die Medien nicht zensiert. Das war vor Hugo Chávez noch ganz anders Die Schließung eines Fernsehsenders in Venezuela sei für das demokratische Lateinamerika ein Präzedenzfall, hat José Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), kürzlich erklärt. Er liegt falsch. In Venezuela ist der letzte Fall keine 5 Jahre her. Am Abend des 12. April 2002 stürmten Polizisten den staatlichen TV-Kanal sowie kommunale Radio- und Fernsehkanäle, die von Pro-Chávez-Aktivisten betrieben wurden. Die Polizei schloss die Sender auf Befehl von Militärs und Oppositionspolitikern, die in der Nacht zuvor gegen Präsident Hugo Chávez geputscht hatten. Seinerzeit protestierte keine Zeitung und auch keine TV- und Radiostation gegen die Maßnahmen - nur ein einziger Chefredakteur äußerte sich kritisch. Die Senderchefs hingegen unterstützten die Putschisten und untersagten ihren Mitarbeitern die Berichterstattung. Die Proteste gegen die Entmachtung von Chávez, die Verhaftungswelle gegen seine Minister, von all dem sollten die Bürger nichts erfahren. "Null Chávismus auf dem Bildschirm" habe die Devise gelautet, so ein ehemaliger Redakteur des Fernsehsenders RCTV. Wäre der Putsch gegen Chávez nicht gescheitert - wer weiß, wie lange die verabredete Gleichschaltung noch gedauert hätte. Ein Aufarbeitung ihrer unsäglichen Rolle hat es in den venezolanischen Medien noch nicht mal ansatzweise gegeben. Heute sieht RCTV-Präsident Marcel Granier eine "tropische Diktatur im Stile Somozas" heraufziehen, weil die Konzession seines Senders nicht verlängert wird. Das ist nicht nur eine Heuchelei, sondern beleidigt auch die Opfer der wirklichen Diktaturen in Lateinamerika. Darf und sollte man Granier deshalb das Senden verbieten? Natürlich nicht. Rechtsverstöße der Medien sollten Sache der Justiz sein, wie OAS-Chef Insulza zu Recht erklärt. Nur: Die Verhältnisse sind nicht so. Die Justiz in Venezuela ist schwach und allzu engagierte Rechtspfleger leben gefährlich. Den Staatsanwalt, der die Anklagen wegen des Putsches von 2002 leitete, riss im November 2004 eine Autobombe in Stücke. Die Konzession für RCTV auslaufen zu lassen - das ist, in Ermangelung besserer Mittel, Chávez' Weg, die putschfreundlichen Medien in die Schranken zu weisen. Er hat das vor den Wahlen im Dezember angekündigt - genauso wie seinen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" - und ist mit knapp 63 Prozent gewählt worden. Die anderen 37 Prozent dürfen ihn nach Herzenslust einen Diktator schimpfen. Vergangene Woche druckte die Traditionszeitung El Nacional neben dem Editorial eine Chávez-Karikatur mit Hakenkreuz auf der Brust. Und niemand wurde deshalb verhaftet oder umgebracht. Vor Chávez war das anders. Es wurde gefoltert, auf Demonstranten geschossen, es gab desaparecidos (Vermisste). Dass im "demokratischen" Lateinamerika der Neunziger rechtsstaatliche Verhältnisse geherrscht hätten, ist genauso eine Legende wie die Behauptung, unter Chávez seien an "die Stelle von institutionalisierten und reglementierten Prozessen (?) Cliquen- und Klientelbeziehungen" getreten, wie Dietmar Dirmoser von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in der gestrigen taz vermeldet. Die FES-Zeitschrift La Nueva Sociedad, die Dirmoser seinerzeit herausgab, wusste es 1999 besser: Es waren die Korruption und Klüngelwirtschaft des Vorgänger-Regimes, die die Wähler dem Exoffizier Chávez zutrieben. Zu den regierenden Kleptokraten gehörten nicht zuletzt die der SPD freundschaftlich verbundene sozialdemokratische Acción Democrática. Am 28. Februar 1989, drei Wochen nachdem Willy Brandt ihm zum Amtsantritt die Hand geschüttelt hatte, gab der sozialdemokratische Präsident Carlos Andrés Pérez höchstpersönlich den Schießbefehl gegen einen Volksaufstand, der nach IWF-Anpassungsmaßnahmen ausgebrochen war. Die Unruhen hatten sich damals auch an einem Korruptionsskandal entzündet, bei dem sich auch die venezolanischen Sozialdemokraten die Taschen vollgestopft hatten. Vorsichtig geschätzt starben 1.000 Menschen im Kugelhagel der Armee. Belangt wurde Pérez dafür nie. Gab es wenigstens bei uns einen empörten Aufschrei? Irgendetwas, das den vollmundigen Warnungen nahe kommt, die heute gegenüber Chávez ausgestoßen werden? Ach was! "Pérez muss seine Landsleute dazu erziehen, nicht mehr über ihre Verhältnisse zu leben", schrieb der Spiegel damals. Das waren noch Zeiten. Heute wollen die Lateinamerikaner über ihre Verhältnisse leben und wählen Typen wie Chávez zum Präsidenten. Was wären wir ohne die Demokratie-Experten, die uns das als Weg zur Diktatur erklären? Es ist schon eigenartig. Auf einem Kontinent, wo nur Trash über den Bildschirm flimmert, hat die venezolanische Regierung hunderte von Lizenzen für Bürgerfunk und -fernsehen vergeben. Ausgerechnet dieses Land soll auf dem Weg zur Mediendiktatur sein, weil es ab März einen Telenovela-Kanal weniger gibt? So eine Mediendiktatur hätte man hier auch gerne. Hugo Chávez entmachtet das Parlament? Nein, er beantragt beim Parlament begrenzte Vollmachten, um Gesetze zu dekretieren und eine Verfassungsreform zu erarbeiten. Spaniens Aznar hat in den letzten Monaten seiner Amtszeit fast nur noch per Dekret regiert. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn einen Diktator zu nennen. Die angekündigten Verfassungsänderungen in Richtung Sozialismus werden in Venezuela selbstverständlich einem Volksreferendum überantwortet. Wenn sie den Bürgern nicht passen, können sie sie ablehnen. Hugo Chávez kombiniert seinen hemdsärmeligen Reformeifer nämlich mit einem ausgeprägten Hang zum Plebiszitären. Im Unterschied zu den Deutschen, die nicht über die europäische Verfassung abstimmen durften, wurde den Venezolanern unter Chávez nicht nur ihre neue Magna Charta zur Abstimmung vorgelegt. Zuvor konnten sie auch noch über die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung entscheiden. Laut dieser Verfassung kann heute jeder gewählte Politiker nach der Hälfte seiner Amtszeit per Volksbegehren aus dem Amt gekegelt werden. Jede öffentliche Institution muss ihre Bücher für die Bürger öffnen, wenn diese sich in entsprechenden Komitees organisieren. Auf Gemeindeebene können sogenannte kommunale Räte ihre eigenen Mittel verwalten. Die sogenannte bolivarische Revolution ist gekennzeichnet durch eine geradezu explosionsartige Ausweitung basisdemokratischer Rechte. Dass diese Rechte oftmals nicht in Anspruch genommen werden, dass sie bei Gelegenheit von Parteifunktionären, Bürokraten oder lokalen Mafiosi vereinnahmt werden, dass es von Revolutionsopportunisten nur so wimmelt, die sich schnell ein rotes T-Shirt übergestreift haben - das ist unvermeidlich. Sonst wäre Venezuela das erste Land der Welt, in dem der Opportunismus ausstirbt und eine Korruptionskultur sich magisch in massenhafte Zivilcourage verwandelt, bloß weil ein Comandante die Revolution ausruft. CHRISTOPH TWICKEL -------- Bedenklich ist dagegen die folgende Meldung aus der taz-nrw vom 26.5.07: Bürgerfunk wird eingeschränkt Der Bürgerfunk in NRW wird um die Hälfte reduziert und auf den späten Abend verschoben. Das novellierte Rundfunkgesetz haben CDU und FDP gestern im Landtag beschlossen. Künftig wird Bürgerfunk werktags auf 21-22 Uhr, sonn- und feiertags auf 19-21 begrenzt. Alle Beiträge müssen einen lokalen Bezug haben und in deutscher Sprache gesendet werden. ... Schöne Überreichweiten in den letzten Tagen: z.B. am 24.5. TVR1 via Moldova auf Kanal R1 um 1230 UTC ein Px in Deutsch über Ereignisse bei den deutschsprachigen Bürgern Rumäniens. Am 25.5. R. Shanson aus Smolensk, Russland auf 66.35 MHz, heute TVE auf E3 sowie Tunesien auf E4, MEP Radio aus Rieti, Italien auf 55.00 MHz usw... Gerade hörte ich Syrien oder Jordanien auf E3 und die Bake aus Cypern 5B4CY gegen 1725 !!! vy 73 de Jürgen Lohuis -----Ursprüngliche Nachricht----- Von: owner-liste@xxxxxxx [mailto:owner-liste@xxxxxxx]Im Auftrag von paul gager Gesendet: Samstag, 26. Mai 2007 11:30 An: liste aliste Betreff: [A-DX] Medien-Politik:Senderschließung in Venezuela ARDtxt: Ein regierungskritischer Rundfunksender in Venezuela kann bei seiner bevorstehenden Schließung kaum auf juristische Hilfe hoffen. Das Oberste Gericht des Landes urteilte, dass die Anlagen von Radio Caracas Television(RCTV) an einen neuen staatlichen Sender übertragen werden. Noch nicht entschieden hat das Gericht über die Klage des Senders gegen die Entscheidung von Präsident Hugo Chavez, die Sendelizenz nicht zu verlängern. An die Stelle des in Venezuela meist gesehenen Fernsehsenders soll ein neuer öffentlich-rechtlicher Kanal treten. 73, Paul PS:Noch ein "lupenreiner Demokrat" -- ----------------------------------------------------------------------- Diese Mail wurde ueber die A-DX Mailing-Liste gesendet. Admin: Christoph Ratzer, OE2CRM http://www.ratzer.at ----------------------------------------------------------------------- Private Verwendung der A-DX Meldungen fuer Hobbyzwecke ist gestattet, jede kommerzielle Verwendung bedarf der Zustimmung des A-DX Listenbetreibers.
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