[A-DX] DP - Portoerhöhung ab 1-1-2016

tom df5jl
Sa Okt 24 09:31:02 CEST 2015


Die Briefzustellung ist die aufwendigste Dienstleistung der
Grundversorgung. In einem offenen Markt wird die Post langfristig bei
dem derzeitigen Preisniveau nicht in der Lage sein, die flächendeckende
Zustellung auf dem gewohnten Qualitätsniveau anzubieten, ohne ihre
Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Durch die vollständige Marktöffnung
ist die gewohnte Zustellung (in 1-2 Tagen, an sechs Werktagen,
Abgabestelle zu Haus-Transport, flächendeckend) nur noch zu bedeutend
höheren Preisen, respektive mit massiven staatlichen Subventionen möglich.

Die Wertschöpfungskette im Postmarkt setzt sich im wesentlichen aus den
Hauptprozessen "Annahme", "Transport", "Sortierung" und "Zustellung"
zusammen. Dabei ist die Zustellung mit einem prozentualen Anteil an den
Gesamtkosten von etwa 50% bei weitem der größte Kostenblock. Diese
Dienstleistung schlägt sich nicht wie die Telefonkabel bei den "fixed
assets" (Sachanlagen) in der Bilanz nieder, sondern in den laufenden
Betriebskosten der jährlichen Erfolgsrechnung.

Die optimale Adaption an die lokale Geographie, an die spezifische
Siedlungsstruktur und -dichte ist eine Kernkompetenz der Post. Doch zu
welchen Kosten erfolgt die Zustellung? Dazu liegen mir Daten aus der
Schweiz vor. Dort arbeiten circa 12.000 Briefträger, welche zu Kosten
von rund 60.- CHF pro Stunde Briefe zustellen (Bruttolohn,
Arbeitgeberbeiträge für Sozialversicherungsabgaben, Unfall und
Krankheit, Uniform, Ferienablösung etc.). Die Schweizer Post misst seit
geraumer Zeit sekundengenau die Arbeitsaufwände (Standards of
Performance, SoP), das heißt die durchschnittliche Zeit, die ein
Briefträger braucht, um einen Brief einzufächern, einzustellen,
auszutragen und in den Briefkasten zu stecken. 

Entscheidend ist hier die distanzabhängige Wegzeit pro Briefkasten. Je
nach Siedlungsdichte variieren die Kosten pro Sendung stark. Eine Minute
Arbeitszeit führt in der Erfolgsrechnung zu Personalaufwand von einem
Franken pro Minute. In Streusiedlungen, weitläufigen Villenvierteln oder
abgelegenen Randregionen betragen die Kosten für Sendungen, welche mit
einer Rate von beispielsweise 30 Sekunden Wegzeit pro Brief zugestellt
werden, alleine für den Prozessschritt „Zustellung“ 50 Rappen. Damit
sind bereits über 70% der Einnahmen als Kosten ‚weggefressen’. Nur wenn
"Annahme", "Transport" und "Sortierung" plus "Overhead" dieses Briefes
insgesamt weniger als 20 Rappen kosten, kann noch ein kleiner Gewinn
erwirtschaftet werden.

Nimmt die Siedlungsdichte weiter ab, sinkt auch die Zustellrate und die
zugestellten Sendungen werden hoch defizitär. Kann der Briefträger nur
einen Brief pro Minute einwerfen, kostet alleine der Prozessschritt
"Zustellung" einen ganzen Franken. Das sind bereits 43% mehr als die 70
Rappen Porto.

Die Gewinnschwelle für ein Postunternehmen liegt in der Schweiz
geschätzt bei einer Zustellrate von mindestens vier Briefen pro Minute,
respektive 15 Sekunden pro Brief. Die Zustellkosten kämen damit auf 25
Rappen oder 36% des Listenpreises von 70 Rappen zu stehen.

Das ist der Grund dafür, dass private Postunternehmen vor allem in
Großstädten und Ballungsgebieten zustellen. Oder mit prekär
Beschäftigten die Zustellung abwickeln. Je höher deren Anteil am
Postmarkt wird, desto kostenaufwändiger wird es für die flächendeckend
zustellende Post. Die Leidtragenden dieser Entwicklung werden die Kunden
im ländlichen Raum sein - mangels Alternative.

Ich wollte nur mal kurz die Folgen unserer "Geiz ist geil"-Haltung am
Beispiel der Briefzustellung aufzeigen. Wer immer nur sparen will, muss
am Ende wo anders draufzahlen. Das aber dürfte den wenigsten bewusst
sein. So führt z.B. auch die Versandalternative Fax oder E-Mail gerade
eben zu einem höheren Briefporto, da der Umfang der angebotenen
Dienstleistung "Briefzustellung" abnimmt bei nicht im gleichen
Verhältnis reduzierbaren Struktur- und Beschäftigungskosten.

Wer über gestiegenes Briefporto meckert, sollte mehr Briefe schreiben.
So einfach ist die Marktlogik.
    

73 Tom DF5JL

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