[A-DX] Copyright-Streit: Bulgarischer Radiosender spielt nur noch Vorkriegsmusik

Franz Ladner
Mi Feb 22 11:58:43 CET 2017


Aus dem Standard:

Mit Jahresanfang hat der öffentlich-rechtliche bulgarische Radiosender BNR
sein Musikprogramm radikal umgestaltet. Seit erstem Jänner gibt es fast nur
noch Stücke zu hören, die vor dem Jahr 1946 erschienen sind. Die Ursache
dafür ist allerdings keine geplante Neuorientierung der Programmdirektion,
sondern ein Streit mit der Rechteverwertungsorganisation Musicautor. Denn
diese wollte für die Lizenz zur Ausstrahlung von 14 Millionen moderner
bulgarischer und ausländischer Songs künftig deutlich mehr Geld – doch der
öffentliche Rundfunk zog nicht mit, berichtet die New York Times. 

Jazz und Klassik statt Charthits Statt 500.000 Lew (rund 256.000 Euro)
sollte das staatliche Medienunternehmen künftig 1,8 Millionen Lew (etwa
922.000 Euro) überweisen. Eine stolze Preiserhöhung von 360 Prozent, die man
schrittweise über die nächsten drei bis vier Jahre durchsetzen wollte.
Folglich musste man umsatteln. Laut europäischem Recht verjähren die Rechte
an einem Stück erst 70 Jahre nach dem Ableben des Künstlers. Anstelle
aktueller heimischer und internationaler Charthits sendet BNR nun alte
Konzertaufnahmen, klassische Musik, Jazz aus den 1920ern und andere Inhalte
aus dem eigenen Archiv. 

Der ursprünglich befürchtete Hörerschwund ist dadurch aber bisher nicht
eingetreten. Im Gegenteil: Laut einer Untersuchung schalten sich
mittlerweile 20 Prozent mehr Menschen zu. Eine Sprecherin des Senders
berichtet von zahlreichen Anrufern, die sich über das neue Musiksortiment
freuen. Streit geht weiter Allerdings ist man sich auch im Klaren darüber,
dass der Anstieg längst nicht nur der erzwungenen Rückbesinnung auf
Vorkriegsmusik geschuldet ist, sondern auch mit dem großen medialen
Interesse an dem Streit zu tun hat. Und dieser geht hinter den Kulissen
weiter. BNR hat eine Wettbewerbsklage gegen Musicautor eingebracht und
bezichtigt den größten Rechteinhaber, seine Marktposition widerrechtlich
auszunützen. 

Im Gegenzug behauptet der Verwerter wiederum, der Sender hätte mittlerweile
hunderte Songs gespielt, für die er eigentlich eine Lizenz benötigt hätte.
Man zeigt sich außerdem "überrascht" vom Vorgehen des öffentlichen
Rundfunks, der damit eine "zeitnahe Lösung des Disputs" verunmögliche. Denn
gerichtliche Auseinandersetzungen könnten sich über Jahre hinziehen. Dazu
erklärte man gegenüber Novonite, dass BNR von allen staatlichen Sendern das
mit Abstand günstigste Rechtepaket erhalte. 

Einige bulgarische und ausländische Künstler haben BNR mittlerweile das
Recht eingeräumt, einige ihrer Werke bis Jahresende ohne Entgelt
auszustrahlen. Derweil hat sich auch das Kulturministerium in die
Angelegenheit eingebracht und will zwischen Rechteverwerter und Radio
vermitteln.
(gpi, 22.02.2017) -
http://www.derstandard.at/2000053002469/Copyright-Streit-Bulgarischer-Radios
ender-spielt-nur-noch-Vorkriegsmusik