Re: [A-DX] störung bzw. "AUDION" bzw. 100 Jahre Rundfunkempfang in Mitteldeutschland

Roger Thauer
Freitag, 30. August 2024, 17:08 Uhr


Am 05.03.2008 um 21:32 schrieb Christof Proft:
> Hallo,
> Michael Kronsteiner schrieb:
>
>> ich habe in letzter zeit (1-2 wochen) eine störung in der gegend 6075,
>> 6065 khz. hört sich irgendwie stark nach einer rückkopplung an (hohes
>> pfeifen), wechselt die frequenz ein wenig bzw. ist abrupt "da" und
>> wieder "weg". 
>
> Könnte das ein Audion mit Rückkopplung sein? Hast Du Hobbykollegen 
> oder Radiobastler in Deiner Umgebung?
> Eine Audionschaltung kann bei zu weit aufgedrehter Rückkopplung 
> benachbarte Empfänger auf der gleichen Frequenz massiv stören, da sie 
> in diesem Falle als Sender arbeitet und gerne Pfeiftöne aufmoduliert.
> Das ist zugegebenermaßen eine verwegene Theorie, allerdings ist die 
> DW-Frequenz meist frei und ungestört und unsere 
> "Lieblings-QRM-Schleuder" Powerline bzw. dLan haben im Bereich der AFU 
> und rundfunkbänder den Pegel abgesenkt (genotcht). Diese dürften es 
> eher nicht sein.
> vy73
> Christof 


100 Jahre Rundfunkempfang in Mitteldeutschland:

https://www.dropbox.com/scl/fi/tvnw9tcwb6wocglqpx77w/1924-07-15_Audion-Versuchserlaubnis.jpg?rlkey=46vdpg6aw6bv5ao4yhtg5d4ud&dl=0

Stempel von:
Deutsches Postamt Leipzig  &  Telegraphenamt Halle (Saale)

Audion-Versuchserlaubnis für den Vater eines Hobbyfreundes aus Delitzsch
Handschriftlich auf Seite 1:   "Vorstehender {d.h. oben genannte Person} 
hat am 21. Jan. (19)25  die Prüfung abgelegt."
{also auch eine "nachgeholte Prüfung", wie unten in der PDF erklärt}
Bedingungen auf der 2. Seite in Klarschrift, kaum jemand kann noch Fraktur:
{OCR mit PDF24  >>Fraktur<<  &  langes "ſ" wie in "iſt/ſich" durch 
rundes "s" ersetzt,  also "ist/sich" }

Bedingungen

I. Allgemeines
    1. Die Anlage dient zur Aufnahme des »Unterhaltungs-Rundfunks« und 
der »Nachrichten an Alle«;
    2. unzulässig ist die Aufnahme sonstigen Funkverkehrs
       und die Störung von Telegraphen-, Fernsprech- und Funkanlagen
    3. Der Inhaber der Genehmigung
       ist verantwortlich für jeden, der seine Anlage benutzt, und darf 
die Genehmigung Dritten nicht übertragen;
       er hat Beauftragten der Deutschen Reichspost (DRP) das Betreten 
der Räume und Grundstücksteile, in denen
       sich die Empfangsanlage befindet, zu gestatten;
       nach Ablauf der Genehmigung hat er seine Anlage zu beseitigen und 
die Urkunde dem Zustell-Postamt zurückzugeben.
    4. Verstöße gegen die Bedingungen können, auch soweit sie nicht nach 
der Verordnung- zum Schutze des Funkverkehrs
       vom 8. März 1924 strafbar sind, die Entziehung der Genehmigung 
zur Folge haben
    5. Die Genehmigung kann widerrufen werden

II. Antenne
    1. Höchstlänge des verwendeten Drahtes vom Empfänger ab 100 m.
    2. Beschaffung der etwaigen Genehmigungen der Gebäudeeigentümer, 
Polizeiverwaltungen usw. ist ausschließlich Sache
       des Inhabers der Genehmigung.
    3. Bei Störung vorhandener oder Behinderung des Ausbaues 
öffentlicher Telegraphen- oder Fernsprechanlagen ist
       die Antenne auf Kosten des Inhabers der Genehmigungsurkunde zu 
verlegen.
    4. Die Anbringung von Antennen an Stützvorrichtungen des 
öffentlichen Telegraphen- und Fernsprechnetzes ohne
       Zustimmung der DRP ist unzulässig. Beim Bau ohne Hinzuziehung der 
DRP muß der Abstand von deren
       Leitungen mindestens 1 m betragen.
    5. Kreuzungen zwischen Antenne und Hochspannungsleitungen sind 
unzulässig, bei Annäherungen muß auch bei
       Bruch einer Leitung eine Berührung unter allen Umständen 
ausgeschlossen sein; auf weniger als 10 m Horizon-
       talabstand ist keinesfalls herabzugehen. Ferner ist es 
unzulässig, mit einer Antenne blanke Niederspannungs-
       leitungen und gleichzeitig Telegraphen- und Fernsprechleitungen 
zu kreuzen.

III. Empfangsanordnungen
       Die Inhaber der Audion-Versuchserlaubnis dürfen 
Empfangsanordnungen aller Art, auch selbsthergestellte,
       unter Beobachtung folgender Vorschriften nach Maßgabe der 
Richtlinien für die Vereine der Funkfreunde benutzen:
    1. In den Zeiten, in denen die im Bereich der Empfangsanlage 
hauptsächlich aufgenommenen deutschen Unter-
       haltungs-Rundfunksender arbeiten, dürfen Versuche mit 
Rückkopplung nur insoweit vorgenommen werden, als
       dadurch eine Schwingungserzeugung nicht eintritt. Die Zeiten, für 
die diese Einschränkung gilt, setzt die zuständige
       Oberpostdirektion nach Anhörung der Sendegesellschaften fest; sie 
sind bei jedem Postamt zu erfragen. Besonderen
       örtlichen Vorschriften der DRP zum Schutze des drahtlosen 
Nachrichtenverkehrs ist ebenfalls zu entsprechen.
    2. Es dürfen nur Empfänger- und Verstärkerröhren mit dem Stempel 
oder der Banderole RTV verwendet werden.
    3. Werden an dem von der DRP für Rundfunkteilnehmer zugelassenen und 
gestempelten Gerät Änderungen oder
       eine Zuschaltung irgendwelcher Teile vorgenommen, die geeignet 
sind, den Wellenbereich zu ändern oder das
       Gerät zum Schwingen zu bringen, so ist der Stempel der DRP 
unkenntlich zu machen.

#######################################################################################################

https://herbert-boerner.de/Beitraege/Rdfk-Org/Audion-Versuchserlaubnis.pdf
.....Erst Mitte Mai 1924 erließ das Reichspostministerium die Verfügung 
"Der Unterhaltungs-
rundfunk" [14]. Die einzige Veränderung war :
— die maximal zulässige Antennenlänge wurde auf 100 m erhöht;
— nicht verändert wurde :
- käuflich nur RTV-gestempelte Röhrengeräte;
- Wellenbereich begrenzt auf 250 - 700 m ;
- freie Rückkopplung verboten.
....
Es war so gedacht: Die Audionversuchserlaubnis galt als 
Empfangsgenehmigung für ein
ungestempeltes Röhrengerät (Empfänger und Niederfrequenzverstärker), die 
Detektor-
versuchserlaubnis als Empfangsgenehmigung für ein ungestempeltes 
Detektorgerät.
Beide wurden nur an Mitglieder anerkannter Funkvereine abgegeben. 
Während an die
Detektorversuchserlaubnis keine weiteren Bedingungen gebunden waren, 
musste zur
Erlangung der Audionversuchserlaubnis ein Kenntnisnachweis erbracht 
werden (durch eine
Prüfung im Funkverein).
......
Jetzt erst war der Startschuss für die Funkvereine gegeben. Sie hatten 
Lehrgänge zur
Vorbereitung auszurichten, Prüfungsausschüsse zusammenzustellen und die 
Prüfungen
abzunehmen. Eine immense Arbeit wurde damit der Reichspost durch die 
ehrenamtlichen
Helfer der Funkvereine abgenommen. Da die Arbeit erst langsam anlief, 
waren die Vereine
berechtigt, an anerkannte Mitglieder eine "vorläufige" 
Audionversuchserlaubnis
auszugeben mit der Auflage, die Prüfung bis zu einem gegebenen Termin 
nachzuholen,
Bild 1.
.........


https://de.wikipedia.org/wiki/Audionversuchserlaubnis
Bei der Audionversuchserlaubnis ging es also aus technischer Sicht um 
die Rückkopplung der Hochfrequenz, die theoretisch (und nur theoretisch) 
eine unendliche Verstärkung und eine unendliche Güte ermöglicht. In der 
Praxis können damit die für einen Rundfunkempfänger wesentlichen 
Eigenschaften Empfindlichkeit und Trennschärfe mit geringem technischen 
Aufwand (Preis) erreicht werden.

Die Einstellung dieser Rückkopplung durch den Anwender war zwingend, um 
einerseits möglichst hohe Trennschärfe und Empfindlichkeit zu erreichen 
und andererseits Selbsterregung zu vermeiden. Deren Einstellung musste 
auch zwischen verschiedenen zu empfangenden Sendern verändert werden. 
Durch unerfahrenes Bedienen trat Selbsterregung und damit die 
unerwünschte und zu vermeidende Aussendung von Funkwellen auf. Es war 
mitunter zwar auch hilfreich, die korrekte Frequenzeinstellung des 
Eingangskreises durch „Einpfeifen“ zu finden; dabei wurde die 
Rückkopplung überkritisch eingestellt, sodass sich Schwebungen zwischen 
Senderfrequenz und dem lokalen selbsterregten Empfänger bildeten, der 
dann wie ein Oszillator wirkte und selbst Funkwellen aussendete. Diese 
Pfeiftöne störten jedoch auch benachbarte Rundfunkteilnehmer und sollten 
nicht vorkommen, wofür der Halter der Versuchserlaubnis durch den 
Nachweis ausreichender technischer Kenntnisse sensibilisiert werden sollte.


roger