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[A-DX] ROI, sehr lesenswert...


  • Subject: [A-DX] ROI, sehr lesenswert...
  • From: Christoph Ratzer <christoph@xxxxxxxxx>
  • Date: Tue, 11 Sep 2001 13:55:49 +0200

Hallo,

die Angelegenheit ROI beginnt langsam Spass zu machen, (wenn man den ernsten Hintergrund mal kurz zurückstellt) und man sich z.B. den folgenden Artikel
in der heutigen Ausgabe des Standard durchliest.

Sehr empfehlenswert.

Beste Grüsse aus Salzburg
Christoph




DER STANDARD Dienstag, 11. September 2001, Seite 38

BLATTSALAT

Echo der Stimme der Heimat

Günter Traxler

Vielen Österreichern in der ohnehin meist unheimlichen Fremde ist es die
Stimme der Heimat, und nun ist Stimmbruch angesagt: Radio Österreich
International, kurz ROI genannt, wird ein Opfer des Nulldefizits. Ab 1.
Jänner 2002 will sich unsere sparsame Regierung ROI nicht mehr leisten.
Der ORF könnte dieses Programm auf eigene Kosten weiterführen, muss aber
nicht und weiß noch nicht definitiv, ob und wie weit er soll. Jedenfalls
erweckt er diesen Anschein.
Das Problem ist bekannt, und neulich nahmen sich auch die
"Oberösterreichischen Nachrichten" des Themas an, nicht zur Begeisterung
aller Maßgeblichen des ORF, wie sich rasch herausstellen sollte. Dabei hat das Blatt sich an alle Regeln des seriösen Journalismus gehalten, vor Ort
und ORF recherchiert, aus eigenem kein böses oder falsches Wort
hinzugefügt - und musste sich dennoch vorwerfen lassen, massiv den Usancen
unserer Branche widersprochen zu haben.
ROI-Intendant Roland Machatschke durfte etwa den hintergründigen Satz von
sich geben: "Es ist alles im Fluss, ich kann dazu nichts sagen." Zur
Ergänzung dieser zeitgemäßen Variation des alten Heraklit bemühte sich das
Blatt im Interesse der Leser auch um Handfesteres: Mit Wolfgang Fischer,
Pressesprecher der ORF-Radios, sprachen die OÖN über die Zukunft von Radio
Österreich International (ROI). Mit mäßigem Erfolg, wie es zunächst
schien.
OÖN: Hörfunkintendant Jochum hat gesagt, man muss Radio Österreich
International neu denken. Wie haben Sie gedacht?
Fischer: Gut.
OÖN: Was kam heraus?
Fischer: Etwas, das uns in die Lage versetzt, dem Programmausschuss des
Kuratoriums den geforderten Schemavorschlag vorzulegen.
OÖN: Was sind die graviernden Änderungen?
Fischer: Keine.
OÖN: Wenn alles beim Alten bleibt, muss man nicht neu denken.
Das war natürlich schon ein wenig frech, entlockte Herrn Fischer aber
immerhin die kantig-kühne Formulierung: Es bleibt nicht alles beim Alten,
sondern wir versuchen, den Anforderungen, die die Kurzwelle im Jahr 2001
hat, gerecht zu werden. Das kann sogar heißen: Das werden wir uns schon
als Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags weiter leisten. Vielleicht
aber auch etwas ganz anderes, das irgendjemandem im ORF, der sich das
möglicherweise nicht leisten will, schwer auf den neuen Geist des Hauses
gegangen ist. Jedenfalls machte sich Wolfgang Fischer an die Abfassung
eines geharnischten Briefes an die "Oberösterreichischen Nachrichten", und
der ging so:
Mit sehr großer Verwunderung finde ich unser vorgestriges Gespräch in der
heutigen Ausgabe als Interview abgedruckt. Eine Verwunderung, in die er
sich zweifellos mit den Lesern des Interviews teilt. Es widerspricht
massiv den Usancen unserer Branche, ein Informationsgespräch mit einem
Öffentlichkeitsarbeiter als Interview zu verwenden. Sofern nicht
ausdrücklich anderes vereinbart ist und keine Verfälschung vorliegt,
widerspricht es nicht den Usancen unserer Branche, ein
Informationsgespräch so wiederzugeben, wie es geführt wurde. Sie haben in
unserem Gespräch nicht einmal eine Andeutung gemacht, dass daraus ein
Interview werden sollte (was hätte er vorgeschlagen? Einen Essay?), Sie
haben mich auch nicht im nachhinein davon informiert oder mir - wie es
wohl üblich ist - den Text zum Approbieren übermittelt. Dass
Pressesprecher ein mit ihnen geführtes "Informationsgespräch" approbieren
wollen, nicht etwa wegen des Inhalts, sondern zwecks Verwischung der
Spuren, mutet etwas seltsam an. Aus gutem Grund finden Sie in den langen
Jahren meiner Tätigkeit in keinem Medium ein Interview mit dem
Radio-Pressesprecher (offenbar wirklich aus gutem Grund), ich habe und
werde es auch weiter so halten (ich habe halten - der Mann sollte erst
einmal seine Briefe approbieren lassen, ehe er sie versendet), dass
Interviews ausschließlich die zuständigen Geschäftsführungsmitglieder, in
diesem Fall der Hörfunkintendant, geben. Ich protestiere aufs Schärfste
gegen diese Ihre Vorgangsweise. Mit freundlichen Grüßen Wolfgang Fischer.
Leider berücksichtigen die "Oberösterreichischen Nachrichten" das
Unterhaltungsbedürfnis ihrer Leser nicht in wünschenswertem Ausmaß. Sie
haben den Brief Fischers, in dem der schändliche und schärfste Proteste
herausfordernde Versuch eines ihrer Redakteure, den Dingen auf den Grund
zu gehen, so eindrucksvoll angeprangert wird, bisher nicht abgedruckt.
Dennoch können wir uns weder einer Enthüllung noch einer
Erstveröffentlichung rühmen. Fischers flammender Protest gegen die
dialogische Form der Wiedergabe eines Desinformationsgesprächs erschien
immerhin in ORF-IN, dem anstaltsinternen Intranet, und könnte dort die
mehr als viertausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Tränen gerührt
haben. Auch als Warnung, nicht unbefugt mit Fremdmedien in ein
Zwiegespräch einzutreten, könnte der Brief durchaus seine pädagogische
Bedeutung haben. Bleibt nur noch, Antwort auf die Frage zu finden: Haben
die "Oberösterreichischen Nachrichten" Fischers Brief etwa gar nicht
erhalten, oder gönnen sie ihren Lesern keine Unterhaltung auf ORF- Niveau?


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