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[A-DX] "World Space" in der NZZ


  • Subject: [A-DX] "World Space" in der NZZ
  • From: "Charlie Prince" <chapri@xxxxxxxxxxxxxxxx>
  • Date: Fri, 21 May 2004 23:34:57 +0200

Satellitenradio für die Dritte Welt gescheitert 
World-Space zielt nun auf europäische Autoradios 
Vor sechs Jahren startete ein Äthiopier ein ambitioniertes Radioprojekt für die medial unterversorgte Bevölkerung in der Dritten Welt. Sein World-Space konnte sich bisher nicht durchsetzen. Nun testet man ein Multimediasystem für europäische Autoradios. 
  
 
 Was der Äthiopier Noah Samara 1998 verkündete, klang visionär. Er wollte ein «umfassendes digitales Radioangebot für die Menschen in der Dritten Welt schaffen». So startete er in jenem Oktober Afri-Star, den ersten von drei Radiosatelliten der World-Space-Reihe. Seine Signale sind, im Gegensatz zu den herkömmlichen Satelliten, mit kleinen flachen Antennen zu empfangen, die an portable Geräte angeschlossen werden können. Ziel war die Verbreitung von lokalen, regionalen und globalen Programmen. Die Preise für die Empfangsgeräte sollten schrittweise so weit sinken, dass sie auch in den ärmeren Ländern erschwinglich sein würden. «Information for the information poor» lautete das Schlagwort. In erster Linie sollten Programmanbieter aus den Zielgebieten selbst zum Zuge kommen. Ins Projekt wurden weit über eine Milliarde US-Dollar investiert. Das Geld kam vor allem aus Saudiarabien.

Humanitäre Ziele 
Mindestens fünf Prozent der Verbreitungskapazitäten waren für humanitäre Zwecke vorgesehen. Eine der Visionen war die Einführung eines afrikanischen Friedenskanals, der dazu beitragen sollte, auf dem Schwarzen Kontinent Frieden zu schaffen und zu sichern. Ausserdem waren Erziehungs- und Unterrichtsprogramme vorgesehen. Dafür wurde die gemeinnützige World-Space Foundation gegründet. In einer Pressekonferenz kurz nach dem Start von Afri-Star sprach der damalige Marketingchef davon, bis Ende 2001 acht Millionen Empfänger verkaufen zu können. Langfristig könne World-Space sogar die Kurzwelle ersetzen. Ausdrücklich betonte er auch, dass Europa wegen der grossen Konkurrenz als Markt uninteressant sei.

Ein Jahr nach der Placierung des Satelliten wurde der Sendebetrieb mit etwa dreissig Programmen aufgenommen. Wenig später wurde auch der zweite Satellit, Asia-Star, gestartet und planmässig in Betrieb genommen. Doch der Verkauf der Empfänger blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Die anfänglichen Preise von 300 Dollar aufwärts waren in den Zielgebieten unbezahlbar, die erhofften Preissenkungen liessen auf sich warten. Viele Programmanbieter merkten schon bald, dass die Hörerzahlen gering blieben, und sprangen wieder ab. Der für 2000 geplante Start des dritten Satelliten (Ameri-Star) wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Er fand bis heute nicht statt; der Satellit steht ebenso wie ein Reservesatellit «bei Alcatel in der Garage».

Die Gesamtzahl der bis heute verkauften Empfänger dürfte weltweit bei wenigen Hunderttausend liegen. Der Verkauf von 50 000 Geräten im Verlauf einer Kampagne im vorigen Jahr in Indien wurde als Erfolg gefeiert. Die vier Hersteller der ersten Stunde, die japanischen Firmen Hitachi, Sanyo, Panasonic und JVC, haben die Produktion inzwischen wieder eingestellt. Dafür brachten neue Anbieter aus China und Südkorea billigere Empfänger im Bereich von 100 Dollar auf den Markt, aber auch diese verkaufen sich mehr schlecht als recht. Der einzige Markt, auf dem annähernd befriedigende Ergebnisse erzielt werden, ist Indien.

Es kam anders 
Trotz den schlechten Zahlen scheint der Sendebetrieb vorerst nicht gefährdet. Das heutige Programmangebot unterscheidet sich jedoch deutlich vom ursprünglich geplanten. Unter den gut 40 Programmen auf Afri-Star sind nur zehn Sender aus der Region, auf Asia-Star ebenso. Den Löwenanteil bilden World-Space-eigene, in Amerika produzierte Musikprogramme von Klassik über Rock und Pop bis zur sogenannten Weltmusik. Dazu kommen internationale Anbieter wie CNN, Bloomberg, BBC oder WRN sowie verschiedene kommerzielle und religiöse Sender.

Nicht viel ist übrig geblieben ist vom humanitären Anspruch. Der französische Canal Educatif Francophone wurde bereits wieder abgeschaltet, sein englisches Pendant, der Africa Learning Channel, sendet noch. Die World-Space-Foundation änderte im letzten Jahr ihren Namen in First Voice International - Ausdruck für eine Distanzierung vom Mutterkonzern? Das Projekt Friedenskanal wurde offenbar in aller Stille begraben.

Dafür will sich World-Space am Wiederaufbau im Irak beteiligen. Der Ostbeam von Afri-Star eignet sich vorzüglich zur Versorgung des Nahen Ostens, und im vergangenen Dezember reichte die Gesellschaft bei der Militärverwaltung einen Vorschlag für irakische Informationsradios ein. Auch die Besatzungstruppen wurden als potenzielle World-Space-Kunden entdeckt. In Zusammenarbeit mit mehreren britischen Sendern wurde das Programmpaket «Home Team Radio / Brits Abroad» entwickelt, das demnächst kostenpflichtig abonniert werden kann.

Bereits im Juni 2003 wurde eine Änderung der Vermarktungsstrategie bekannt gegeben. Man setzt jetzt auf Bezahl-Radio. Noch ist der grössere Teil der Programme frei empfangbar; das soll sich aber im Laufe des Jahres ändern. Dass damit die ursprüngliche Zielgruppe, die «Information poor», endgültig ausgegrenzt wird, scheint niemanden zu stören.

Der Westbeam deckt den grössten Teil Europas mit ab. Hier hat World-Space schon jetzt viele Hörer - einige tausend Radiofreaks. Europa ist auch das Ziel eines andern Projekts. Unter dem Namen «Rely» wird derzeit in Paris und Erlangen ein Multimediasystem für Autoradios getestet, das Musik, Nachrichten- und Informationsdienste sowie Satellitennavigation bieten soll. Der Datenstrom für «Rely» kommt zurzeit über einen Kanal von Afri-Star. Wenn die Idee sich durchsetzt, könnten auch die beiden übrig gebliebenen World-Space-Satelliten eine neue Aufgabe finden.

Hans Weber
NZZ, Neue Zürcher Zeitung v. 21.05.2004
 
 

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