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[A-DX] Machtpoker am Rothenbaum
- Subject: [A-DX] Machtpoker am Rothenbaum
- From: Thomas Kamp <1step@xxxxxx>
- Date: Sat, 31 Dec 2005 08:06:30 +0100
Artikel erschienen heute, am Sa, 31. Dezember 2005, in DIE WELT - Tom Machtpoker am Rothenbaum Vor 50 Jahren wurde der Norddeutsche Rundfunk gegründet - Politische Begehrlichkeiten prägen seine Geschichte von Uwe BahnsenAm Neujahrstag des Jahres 1956 meldeten sich mit Programmbeginn im Hörfunk zum erstenmal zwei neue Anstalten - der Norddeutsche Rundfunk (NDR) mit Sitz in Hamburg und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) mit Sitz in Köln. Entstanden waren sie durch die politisch gewollte und betriebene Aufteilung des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR). Den TV-Bereich übernahm ab 1. April 1956 zunächst der Nord- und Westdeutsche Rundfunkverband (NWRV) in Köln, bis 1961 beide Anstalten auch im Fernsehen für ihr jeweiliges Sendegebiet verantwortlich waren.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der britischen Besatzungstruppen am frühen Abend des 3. Mai 1945 hatten Offiziere einer Spezialeinheit das Funkhaus des Reichssenders Hamburg in der Rothenbaumchaussee besetzt. Es war der einzige intakte Sender der britischen Besatzungszone, und innerhalb von 24 Stunden wurde daraus "Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government - so die erste Ansage des 23jährigen Captain Geoffrey Perry am 4. Mai um 19 Uhr, eingeleitet mit der britischen Nationalhymne.
Die Militärregierung betrachtete den Rundfunk als das einzige intakte Massenmedium, und so entstand nur wenig später, am 22. September 1945, der NWDR als die Rundfunkanstalt für die gesamte britische Besatzungszone, mit Funkhäusern in Hamburg und Köln, aufgebaut nach dem Vorbild der britischen BBC. Ende 1947 fand die Besatzungsmacht, es sei an der Zeit, diese Anstalt in die Unabhängigkeit zu entlassen. Zum 1. Januar 1948 geschah dies auf Grundlage der "Verordnung 118" der britischen Militärregierung.
Der NWDR war die Rundfunkanstalt für die Länder Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Es war die große Zeit der Rundfunk-Pioniere: Peter von Zahn, Axel Eggebrecht, Ernst Schnabel, Gregor von Rezzori und Rüdiger Proske. Jürgen Roland, damals ein junger Reporter, hat sich noch Jahrzehnte später dankbar an die Fairneß und Noblesse der britischen Controller unter Hugh Carlton Greene erinnert.
Als der Bildungspolitiker Adolf Grimme am 15. November 1948 sein Amt als Generaldirektor des NWDR übernahm, schien in dieser Personalentscheidung eine Gewähr für die Unabhängigkeit des Rundfunks von politischen und ökonomischen Einflüssen zu liegen - sie zu sichern, war das erklärte Ziel Grimmes, der mit dem Rundfunk "echte Werte" vermitteln und daraus, "wie das Theater, eine moralische Anstalt" machen wollte.
Es kam anders. Grimme erlebte bis zu seinem Rücktritt 1956 den Zugriff der Politik und der großen gesellschaftlichen Gruppen auf das Medium. Die Ansprüche stiegen, je mehr das Fernsehen an Breitenwirkung gewann. Schon 1954 war Berlin aus dem NWDR-Verbund ausgeschieden und hatte mit dem Sender Freies Berlin (SFB) eine eigene Anstalt für die geteilte Stadt installiert. Im Februar 1955 regelten die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen den Rundfunk neu, und am 16. Februar schlossen die drei norddeutschen Länder den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk NDR und vollzogen zum Jahresende die Trennung vom WDR. Grimme hatte da längst resigniert und in einem Privatbrief bekannt, er wolle "lieber Bäume pflanzen", statt dem "wachsenden parteipolitischen und nun auch noch konfessionellen Getriebe.... mit seiner Rückwirkung auf das Kulturinstrument Rundfunk" zusehen zu müssen. 1977 geriet dann der Norddeutsche Rundfunk als zweitgrößte ARD-Anstalt in eine existenzbedrohende Krise, als die damalige CDU-geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg den Staatsvertrag über den NDR kündigte, weil sie "Ausgewogenheit" vermißte - ein Vorwurf, der angesichts unbestreitbarer Linkslastigkeit in den Programmen und unzureichender Regionalberichterstattung nicht unberechtigt war und dennoch den Machtzugriff kaum verhüllte. Zwar kam es 1980 zum neuen NDR-Staatsvertrag, aber schon 1989 drohte die CDU-Landesregierung in Hannover mit dessen Kündigung, weil sie ihre Interessen nur mangelhaft berücksichtigt sah. Zwar gelang es, dieses Damoklesschwert abzuwenden und 1992 mit Mecklenburg-Vorpommern einen vierten Vertragspartner zu gewinnen, doch das Unbehagen über die Vormachtstellung Hamburgs blieb, während das größte Gebührenaufkommen doch aus Niedersachsen stammt. Bis heute ist das eine der Achillesfersen der Vier-Länder-Anstalt NDR, die ihrem Intendanten Jobst Plog Diplomatie und Fingerspitzengefühl abverlangt.
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