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Aus den Salzburger Nachrichten:


Durchhalteparolen auf Mittelwelle für die Entführten Kolumbiens
26. November 2005

Eine Radiosendung ist offenkundig die emotionale Stütze der Gekidnappten - 
Jede Woche drei Stunden lang

Ulrich AchermannBogota (SN). Als die Falle für den Journalisten Herbin Hoyos 
zuschnappte, war er längt ein bekannter Radiomoderator in seinem Heimatland 
Kolumbien. Nach einer Verfolgungsjagd mit der Armee ließen ihn die 
Entführer der linken FARC-Guerilla frei. Aber Hoyos blieb die Begegnung mit 
einem anderen, an einen Baum geketteten Entführten im Kopf, der sich mit 
der Hand an ein Radio klammerte sagte: "Warum kümmert sich keiner von euch 
Journalisten um uns ?"

Das war vor zwölf Jahren, und seither gibt es in Kolumbien die Sendung "Las 
Voces del Secuestro" (Die Stimmen der Entführung). Ausgestrahlt wird sie in 
der Nacht von Samstag auf Sonntag, zwischen ein und vier Uhr früh. Das ist 
die Zeit, in der im Dschungel und in den Bergen des Bürgerkriegslandes die 
Waffen am ehesten schweigen.

Am Anfang war Herbin Hoyos 15 Minuten lang auf Sendung, viel zu kurz. Die 
Nachfrage war so überwältigend, dass das Programm heute drei Stunden 
dauert. Dennoch sind die Leitungen zu "Radio Caracol" in Bogota chronisch 
überlastet. Die Angehörigen übermitteln den Verschleppten per Mittelwelle 
Grüße und Botschaften.

Marta Arango aus Manizales etwa. Sie wendet sich an ihren Mann Oscar Lizana, 
erzählt von ihrem Besuch bei dessen Großmutter, spricht einige andere 
Alltagserlebnisse an und wünscht ihm viel Kraft. "Halte durch, mein 
Liebster", sagt sie und kämpft mit den Tränen. Lizana ist vor fünf Jahren 
verschleppt worden. Ob er noch lebt, weiß niemand. Die Entführer melden 
sich seit Monaten nicht mehr.

Draußen im Busch oder im zerklüfteten Bergland, der Hochburg der FARC, 
kommen die Botschaften in der Regel an. "Von den im vergangenen Jahr 
Freigelassenen hörten 92 Prozent regelmäßig Radio", betont er. Die 
Guerilleros leihen mitunter ihre eigenen Empfänger.

Dahinter steckt nackter Zynismus: Nur mit lebenden Geiseln lassen sich 
Geschäfte machen. "Jeder bricht irgendwann zusammen und will nur noch 
sterben, weil er alle Hoffnung verloren hat", betont Hoyos. "Plötzlich 
seine Frau oder seinen Vater im Radio zu hören mobilisiert die letzten 
Reserven."

Nirgendwo werden mehr Menschen entführt als in Kolumbien. Allein auf der 
Website der Radiosendung stehen die Namen von 4200 Entführten. Sie dienen 
vor allem der linken Guerilla als Finanzierungsquelle. Immer häufiger kommt 
es vor, dass Banden Leute entführen und die Opfer den Guerilleros 
verkaufen.

Die im Februar 2002 von der FARC verschleppte grüne Politikerin Ingrid 
Betancourt ist prominentestes Opfer. Die FARC will sie gegen inhaftierte 
Kämpfende tauschen. Präsident Alvaro Uribe verweigert. Und auf der Welle 
von "Radio Caracol" macht Ingrid Betancourts Mutter Yolanda Pulecio kein 
Hehl aus ihrer Verzweiflung: "Heute habe ich wieder einen Rosenkranz 
gebetet und Gott darum ersucht, für ein Wunder zu sorgen."

© SN.

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