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Re: [A-DX] Neuer Schub für den digitalen Hörfunk?


  • Subject: Re: [A-DX] Neuer Schub für den digitalen Hörfunk?
  • From: Nils Schiffhauer <nils.schiffhauer@xxxxxxxxxxx>
  • Date: Sat, 30 Aug 2008 09:55:57 +0200

Moin, moin - es ist ja ganz bequem, wenn die Profiteure einer Technologie
zugleich in deren öffentlich-rechtliche Trompete stoßen dürfen und dafür
noch mit allerhand Labsal aus GEZ-Zwangsgebühren belohnt werden. Vielleicht
rückt folgender Text, der u.a. nach einem Gespräch mit dem KEF-Vorsitzenden
und manch' anderen Recherchen eher aus Erkenntnisinteresse als durch die
Maßgaben eines Arbeit gebenden Intendanten entstand, die Sache wieder etwas
zurecht (obgleich Ende April 2008 erschienen, scheint er mir immer noch
halbwegs aktuell).
Übrigens, das ist von gestrigen Empfangsversuchen noch nachzutragen, haben
wir mit dem Multyradio 25 km nordöstlich von Hannover keine einzige
DAB-Station empfangen können. DRM? Ja, wenn die Wurfantenne günstig verlegt
wird, kommen da eher fünf als zehn Sender zusammen. "Pleite glotzt euch an
restlos", wie es in der ersten Nummer gleichnamiger Zeitschrift 1919 hieß.
73 Nils

Digitalradio stößt beim Hörer auf taube Ohren
Dennoch weitere Finanzierung aus Gebühreneinkommen
Anders als der 1949 in Deutschland eingeführte UKW-Rundfunk konnte sich der
Digitale Rundfunk hierzulande noch nicht zur „Welle der Freude“ entwickeln.
Nachdem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mindestens 180
Millionen Euro Gebühren mit DAB versendeten und gerne dasselbe nochmals
verpulvert hätten, schob Anfang dieses Jahres die Kommission zur Ermittlung
des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten (KEF) für die nächste
Gebührenperiode 2009 bis 2012 eine nur noch 22,5 Millionen Euro teure
Grabplatte auf  Digital Audio Broadcast. Tot und begraben – dead and buried,
wie DAB längst aufgelöst wurde – ist damit dieser Zweig des UKW-Nachfolgers.
Jedenfalls in Deutschland, wo kaum mehr als etwa 0,3 Prozent der
Rundfunkempfänger DAB empfangen können. In Großbritannien hingegen ist DAB
wegen höherer Sendeleistungen, die einen Empfang innerhalb des Hauses
ermöglichen und dank gleichzeitig ausgestrahlter Zusatzinformationen
wenigstens vorübergehend ein relativer Erfolg geworden.
Die ARD-Anstalten hingegen nutzen aus Bequemlichkeiten viele der mit DAB
verbundenen neuen Möglichkeiten erst gar nicht. So klagen die wenigen
Digitalhörer in Niedersachsen beispielsweise darüber, dass die
Nachrichtenzeilen nur sehr schleppend aktualisiert werden – wenn überhaupt.
Dennoch meinen die Rundfunker, die mangelnde Akzeptanz läge allein an der
Technik. Deshalb rufen sie nach zusätzlichen 42 Millionen Euro, um zwischen
2009 und 2012 ihr nächstes Digitalkonzept zu entwickeln. Neben DAB+ könnte
das auch ein DRM+ genanntes Verfahren sein.
Jedoch hat DRM – Digital Radio Mondiale –nach gut zehn Jahren auf Kurzwelle
eine im weltweiten Maßstab ähnlich bestürzende Bilanz wie DAB in Deutschland
aufzuweisen. Dabei überzeugt seine Technik. Mit pfiffigen Algorithmen
trickst sendeseitig richtig genutztes DRM die Unbillen der Ionosphäre
weitgehend aus und bietet sogar Stereo in erstaunlicher Qualität. Davon
überzeugt der Empfang plattdeutscher Predigten von Radio HCJB aus
Quito/Ecuador ebenso wie die Zuspielsendungen von Radio Neuseeland für
einige Pazifikinseln. Doch das erste DRM-Jahrzehnt leidet darunter, dass es
praktisch keine Empfänger für diesen Digitalempfang gibt. Selbst in der
kleinen und durch keine Interferenzen zu erschütternden Gemeinde der
Hobbyhörer spielt DRM eine Rolle höchstens dann, wenn der vollvergoldete
Niedergang eines Mediums zu demonstrieren ist. Stand der Technik bildet die
Kombination eines Radios mit einem Computer, der die Decodierung vornimmt.
Eine kostenlose Software hierzu entschlüsselt aber jene Sender – wie Radio
Irland – nicht, die sich einer kostenpflichtigen Komprimierung bedienen. Die
Zahl der weltweit vielleicht 101 täglichen DRM-Hörern dürfte somit auf eine
hohe einstellige Zahl sinken.
Das ist schade. Denn aus bis zu etwa 3 000 Kilometer Entfernung empfangen,
hält der digitale Kurzwellenfunk, was sich alle Welt davon verspricht. Doch
die Rundfunker überdehnen die Entfernungen, sehen zu wenig Reserven in der
Komprimierung vor und nutzen im Regelbetrieb weder die automatische
Umschaltung auf bessere Alternativfrequenzen, noch den Multimedia-Kanal zum
Senden von Nachrichtentexten. So ist der Empfang immer wieder von Aussetzern
unterbrochen, die störender als ein kleiner Signaleinbruch beim analogen
Kurzwellenempfang empfunden werden.
Staatlich subventioniert, haben wenigstens Forschungsinstitute und die
Hersteller von Sendern ihren Schnitt gemacht. Steuergelder auch noch bei der
Empfängerindustrie abzuladen, wäre denn doch wohl zu teuer geworden, sodass
seit Jahren der endgültige DRM-Receiver auf das jeweils nächste
Herbstgeschäft verschoben wird. Klassische Hersteller wie Sony ignorieren
DRM gleich ganz, aber in China findet diese Art von Rundfunk Interesse.
Techniker wissen, dass damit der Empfang softwareseitig noch besser
beschränkt werden kann, als es Joseph Goebbels‘ Volksempfänger VE301 tat.
Dennoch geistern bislang nur Prototypen wie der WR608 von Chengdu Newstar
Electronics mehr durch die Virtualität des Internet, als dass der
Interessierte ihre Teleskopantenne auszuziehen vermag. Gleichzeitig zieht
nach Ende des Kalten Krieges erfülltem Auftrag ein Auslandssender nach dem
anderen von der teuren Kurzwelle ins preiswerte Internet, dessen steigende
mobile Verfügbarkeit innerhalb der Reichweite von beispielsweise WLAN dem
herkömmlichen Kofferradio den Garaus macht, selbst wenn es denn DRM hätte.
Ein technisch überzeugendes Verfahren sieht sich somit angebots- wie
nachfragemäßig in eine Zange genommen, die seinen Lebensfaden durchzukneifen
droht.
Das könnte der Digitalisierung des UKW-Rundfunks, den die zuständige
EU-Kommissarin Viviane Reding europaweit bis 2012 fordert, ebenfalls blühen.
In diesen Tagen gibt es Testsendungen in DRM+ und dem amerikanischen
IBOC-Verfahren, die in Hannover und Kaiserslautern nur einige wenige
Entwicklungsingenieure empfangen können. Als weiterer Konkurrent tritt DAB+
hinzu. Nur die ersten beiden haben im traditionellen UKW-Rundfunkband Platz
und versprechen dank Simulcast, dass die etwa 200 Millionen UKW-Radios
Deutschland nicht zu Elektronikschrott werden. Doch trotz Simulcast zeigen
schon heute Empfangsversuche in DRM auf Mittelwelle, dass damit weder
klassischer, noch digitaler Empfang möglich ist. Aber mit fast 65 Millionen
Euro weiterer Fördergelder sollte das zu packen sein.
Den zahlenden Hörer jedoch locken weder Spartenkanäle, noch die Aussichten
auf gleichzeitige Test- und Bildübertragung. Was beim Fernsehzuschauer als
DVB-T zunächst terrestrisch klappte und bald auch via Satellit diktiert
wird, scheinen beim Radio die Gerätehersteller dringender zu benötigen als
die Hörer. Die KEF will erst dann den Geldhahn aufdrehen, nachdem sich alle
Marktteilnehmer auf die Zukunft de UKW-Rundfunks geeinigt hätten. Doch die
Erfahrung lehrt, dass auch hier der Hörer nur Zuhörer bleibt.
Der mag sich fragen, warum ein weiterer Luxusschlitten in diese Sackgasse
fährt, statt in eine Infrastruktur für mobile Internetradios zu investieren.
Diese könnten radikal anders aussehen: ein kurzer Funkbefehl aus dem Studio
schaltet die vorher auf Festplatte gespeicherten Songs im rechten Moment
frei. 5 000 Stücke dürften reichen, um ein Jahr das Gedudel von privaten und
öffentlich-rechtlichen Rundfunkern mit geringstem Aufwand zu bestreiten. Nur
die Nachrichten der Öffies aus Froschperspektive der politischen Parteien,
deren Beute sie sind sowie „die aktuellen Flitzerblitzer Deiner Region“ der
Privaten wären zu übertragen. Dazu reichen schmale Kanäle, geringe
Leistungen; die Programme wären von unerreichter technischer Qualität bei
geringstem Aufwand.



Am 30.08.08 00:28 schrieb "Paul Gager" unter <aon.913879759@xxxxxx>:

> DLF(Website)
> 
> Markt und Medien 30.08.2008 · 17:05 Uhr
> 
> Zukunft des Radios, Radio der Zukunft
> 
> Neuer Schub für den digitalen Hörfunk?
> 
> Moderation: Andreas Stopp
> In deutschen Haushalten stehen rund 550.000 Digitalradios - eine
> verschwindend geringe Zahl im Vergleich zur Verbreitung der klassischen
> analogen Radiogeräte. Seit Jahren versuchen unterschiedliche Akteure, das
> Digitalradio voranzubringen. Doch bisher nur mit mäßigem Erfolg.
> 
> Nachdem die KEF die Gelder für den DAB-Standard gestrichen hatte, schien der
> digitale Hörfunk endgültig gescheitert zu sein. Nun soll es 2009 einen
> Neustart geben: mehr Frequenzen, bessere Technik. In "Markt und Medien" live
> von der IFA in Berlin diskutieren die Gäste, ob dieser Neustart gelingen
> kann, welche Auswirkungen die digitale Verbreitung auf die Programm-Inhalte
> haben wird und stellt die neuesten Digitalradiogeräte vor, die auf der Messe
> präsentiert werden.
> 
> Live von der Funkausstellung in Berlin
> 
> Gesprächsgäste:
> Dr. Chris Weck , Rundfunk - und Informationstechnik, Deutschlandradio
> Dr. Stephan Ory, AG Privater Rundfunk
> Michael Reichert , SWR - Projektkoordination "Radio der Zukunft"
> 
> Mit Foto eines mir unbekannten "Wunder Wuzzis":
> Das Digitale Radio (DRM). (Bild: DRM-Initiative)
> 
> 73,
> Paul
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