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[A-DX] Prag und die Rücknahme und: Sorry (lang)


  • Subject: [A-DX] Prag und die Rücknahme und: Sorry (lang)
  • From: "Harranth" <harranth@xxxxxxxxxxxx>
  • Date: Wed, 14 Oct 2009 00:50:16 +0200

Zunächst muss ich mich bei allen entschuldigen, die sich durch meine Mail
von gestern persönlich oder als praktizierende DXer in ihrer Ehre gekränkt
fühlen. Vor allem aber habe ich Christoph Ratzer Abbitte zu leisten, der es
wahrlich nicht verdient hat, für seinen einmaligen Einsatz angepatzt zu
werden.
Dass eine solche Diskreditierung selbstverständlich nicht beabsichtigt war,
ändert nichts am Ergebnis. Ich sage: selbstverständlich, weil ich mich nach
wie vor selbst der Hobbygemeinschaft angehörig fühle und mich also auch
selbst angeschwärzt hätte/habe.
Wie so etwas passiert, wie man - als mit dem Umgang mit dem Wort
einigermaßen Vertrauter - eine Aussage so missverständlich formulieren kann;
wie man dann noch dazu die falsche Taste drückt: das lässt sich erklären
(schaut rein ins Tagebuch auf unserer Webseite), aber auch das ändert nichts
am Resultat.
Die mir unterlaufene dumme Aussparung in der Argumentation wäre im privaten
Dialog mit Jürgen zwar auch nicht gerade das Gelbe vom Ei gewesen, aber aus
dem Zusammenhang unserer Überlegungen hätte sich das Missverständnis von
selbst geklärt.

Wer jetzt noch zur Causa selbst weiterlesen will (ich versuche einen neuen
Anlauf), ist herzlich eingeladen.

Vorangegangen war ein langes und deprimierendes Telefonat mit Prag und ein
frustrierend-resignierendes Kantinengespräch hier, mit Redaktionskollegen
und der Hörerbetreuung am Tisch.
Grundfrage: Was tun gegen die Zusperrer? Was zählen Hörer, was können sie
bewirken? Fazit: Fast nichts, da z.B. das Feedback (Briefe, E-Mails) rapide
rückläufig ist - ein gutes Argument für die Abschalter, die der KW "schon
längst" die Daseinsberechtigung absprechen. Selbst wenn die "Quote" stimmen
würde, ließen sich die Entscheidungsträger (und das sind: die Finanzierer)
davon nicht beirren. Überall muss gespart werden, und am einfachsten
geschieht das dort, wo der geringste (Medien-)Protest zu erwarten ist und
man ein paar gute Ausreden hat: "Ein Auslandsdienst in Fremdsprachen gehört
nicht zu unserer Kernkompetenz", "Unsere Landsleute im Ausland und überhaupt
alle Interessierten werden besser via Internet versorgt."
Fazit: Auslandsdienste haben im Inland kein Lobby. Und die Hörerpost spielt
quantitativ keine Rolle. Qualitativ auch nicht?
Doch - aus der Sicht der Programm-Macher.
Auch nicht - aus der Sicht der obersten Chefetagen. "Wo bleiben denn die
Eliten und Entscheidungsträger?" (Erinnert Euch: das war z.B. ein
BBC-Argument) "Lauter Polit-Fanatiker..." (Stimmt leider: Hetz- und
Psychopathen-Briefe gab's immer wieder) "...und Tränenherzen." (Stimmt
ebenfalls, nur sahen _wir's_ anders, wenn Exil-Landsleute uns in ihre
Familie und in ihre persönliche Biografie aufnahmen; da fühlten wir uns
geehrt.)

Kurz und schlecht: Wird die politische/finanzielle Entscheidung getroffen,
wir machen dicht! Dann spielen Hörer, Redaktionsmeinungen, Tradition,
Reputation  etc. etc. keine Rolle mehr.  

So, und jetzt endlich: Die DXer - als spezielle Hörergruppe.
Ich und meinesgleichen argumentieren: Das ist eEine kleine, aber treue und
höchst spezialisierte Zielgruppe.
Die Gegenposition: Lauter Spinner und QSL-Bettler. Kosten nur Geld und
bringen nichts.
Beide Seiten können das, manchmal sogar mit den selben Quellen, belegen.
<Und _so_ hatte ich's gemeint, aber kontraproduktiv formuliert: Jürgen,
schau Dir - da Du ja keinen Zugang zur Hörerpost hast - die Einträge in der
A-DX-Liste _mit den Augen eines Außenstehenden_ an, von einem, der keine
Ahnung vom Hobby hat und bei der Lektüre bestenfalls den Kopf schüttelt,
eher aber seine Aversion oder Geringschätzung bestätigt fühlt.>
Und leider, leider - Leute, nehmt es mir nicht übel, aber Tatsachen kann man
nicht wegretuschieren - hat die Qualität der DX-Post nicht unbedingt zu
unserer Reputation beigetragen. Das liegt zum Teil an der Traditionspflege
einer Selbsteinschätzung, zu der freilich _beide_ Seiten beigetragen haben
("Empfangsrapporte sind eine wichtige Information, ein Service der DXer für
die Station"). Tatsachenist jedoch: Dem Freqzenzplaner nützen die Berichte
nichts, und die Redaktionen haben nichts davon. Aber immerhin sollte man das
echte Interesse und die ehrliche Absicht dieser Hobbyfreunde honorieren, und
manche Stationen (oder uns Wohlmeinende darin) tun das ja noch.
Problematisch, auffällig und hervorragend als angeblicher Beweis für die
"DX-Narretei" geeignet sind aber die Extremisten: Der Lehrer, der seine
Schüler im Tagesrhythmus RRs schreiben lässt und für die tausend Berichte
auch tausend QSLs fordert. Der Empörte, der mit Hörboykott droht, wenn er
nicht "seine" QSL bekommt. Der Bettler um Sonderbriefmarken, Wimpel und
Aufkleber...

Womit wir letztlich bei meiner wohl offenbar ebenfalls missverständlichen
Überlegung sind: 
Wer welches Hobby gewählt hat und wie er/sie es ausübt, kann durchaus auch
als psychologisches Phänomen betrachtet werden. (Etwa: Pitbull-Züchter und
Rosenzüchter sind unterschiedliche Mentalitäten.) Und bei jedem Hobby stellt
sich die Sinnfrage, die jede/r für sich beantworten muss. Und da reicht die
Bandbreite weit: Vom Interesse am Programm, von der Fund-Freude an
unerwarteten Hörgenüssen, von der Wellenjagd als/aus Spaß, vom Interesse an
der Erkundung technischer/physikalischer Phänomene etc. bis zum Extrem, wo
nicht der Hobbyfreund das Hobby regiert, sondern vom Hobby regiert wird. Da
sind dann jene zu finden, die tatsächliche oder vermeintliche psychische,
sozial-kommunikative usw. Defizite mit "Superman-DX" kompensieren - z.B.:
Seht her! Mittelwelle aus Funafuti zur Mittagsstunde. (Im Amateurfunk zeigt
sich der "Kampfsport" analog zum "Kampftrinken" noch viel exzessiver).
Meine Konsequenz (und so, nicht anders war's in meinem Mail gemeint) war:
Jeder möge nach seiner Fasson glücklich werden. _Ich_ habe meine Freunde
(als Hörer oder Hobbykollegen) dort gefunden, wo die Wellenjagd und das
Hörinteresse eine glückliche Verbindung eingegangen sind.

Schön wär's, wenn der Diskurs damit halbwegs ein Ende hätte. Denn diese
Liste heißt A-DX und nicht A-Medien; hier nehme ich dankbar Tipps und
Anregungen auf - dort würde ich mir weniger Zurückhaltung auferlegen. Wie
gut, dennoch, dass wir uns zwischendurch auch hier immer wieder mal Gedanken
über Gott und die Welt machen.

Kurz vor eins. Gute Nacht.         

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Wolf
    

Prof. Wolf Harranth OE1WHC
Dokumentationsarchiv Funk (QSL Collection)
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+43-1-50101-16071 / Mob (+43676)0676-4012585
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