[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[A-DX] "...der Sender, für den das Internet verschrottet werden könnte"


  • Subject: [A-DX] "...der Sender, für den das Internet verschrottet werden könnte"
  • From: "D. Name auf Wunsch gelöscht" <douglas.kaehler@xxxxxxxxxxx>
  • Date: Sun, 2 Aug 2009 22:32:36 +0200

Eine sehr schöne Kolumne von Kurt Kister in der Süddeutschen. Gute Lektüre!



Morgens halb sieben im Bad. Einer der wenigen Gründe aufzustehen, ist der
Deutschlandfunk. Für diesen Sender könnte das gesamte Internet verschrottet
werden. 

Der Morgen bereitet dem Menschen oft Schwierigkeiten. Wenn man schlecht
schläft, sehnt man ihn herbei. Die Helligkeit gibt einem, wenn schon keinen
Grund, so doch einen Vorwand, aufzustehen. Man schlurft ins Bad. Dort wartet
das nächste Problem: Wie kann man Radio hören und gleichzeitig duschen?
Wer ein zivilisierter Mensch ist, hört morgens den Deutschlandfunk. Der
Deutschlandfunk, abgekürzt DLF, ist ein sonderbarer Sender, in dem fast den
ganzen Tag geredet wird. Wenn die Dusche rauscht, kann man es leider nur
schlecht verstehen, es sei denn, man stellt das Radio sehr laut.

Viele Dinge und Menschen, die man morgens im DLF hört, machen so betroffen,
dass man das Einseifen fast einstellt. Da gibt es zum Beispiel einen
zehnkindrigen Moderator, der noch dazu an der Universität von Navarra
studiert hat. Ein anderer trägt den seltenen Vornamen Friedbert, der einen
gleichermaßen an den irgendwie verschwundenen Politiker Friedbert Pflüger
wie an den bedeutenden Münchner Kunsthistoriker Friedbert Ficker erinnert.
Kein anderer Sender bietet und bot morgens so interessante Interviews mit
dem Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, dem leider außerordentlich
toten Jürgen Möllemann oder einem fast immer enorm krätzigen Sigmar Gabriel.
Für den DLF möchte man jederzeit das gesamte Internet, vielleicht mit
Ausnahme von isidore-of-seville.com, in der Steckdose lassen.

Vor einiger Zeit sprach morgens nach der Dusche, es kann auch ein Bad
gewesen sein, eben jener seltene Friedbert mit der Justizministerin Brigitte
Zypries. Es ging um Adoptionen von Kindern durch gleichgeschlechtliche
Paare, die in einer standesamtlich verbrieften Lebenspartnerschaft
zusammenleben. Das ist ein ziemlich typisches Deutschlandfunk-Thema für 7.15
Uhr. Gerne reden sie um diese Zeit beim DLF auch über Streubomben oder
exotische Grippeformen. Jedenfalls sagte die Ministerin Zypries den schönen
Satz: "Wir müssen ja sehen, dass die Menschen alles das, was irgendwie
denkbar ist, auch tun." Politiker müssten sich darauf einstellen, gerade
beim Verabschieden von Gesetzen.

Das ist grundsätzlich ein interessanter Gedanke. Denkbar wäre auch, dass
demnächst oder später Menschen ihre Hunde heiraten möchten oder sich die
Schädeldecken entfernen lassen wollen. (Das mit den Schädeldecken stammt von
Erich Kästner aus dem Gedicht "Klassefrauen"). Müssten dann also die
Politiker auch die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen? Oder sollten
sie nicht ab und an den Leuten erklären, warum man gerade nicht alles tun
darf, was irgendwie denkbar ist? Sie könnten das sicher im DLF tun, gegen
6.46 Uhr oder auch um 7.20 Uhr.


(SZ vom 1.8.2009/jeder) 
Friedbert unter der Dusche
Kolumne: Deutscher Alltag
01.08.2009, 12:02
Von Kurt Kister
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/120/482574/text/ 2. August 2009,
22:30 MESZ 


--
-----------------------------------------------------------------------
Diese Mail wurde ueber die A-DX Mailing-Liste gesendet.
Admin: Christoph Ratzer, OE2CRM  http://www.ratzer.at
-----------------------------------------------------------------------
Private Verwendung der A-DX Meldungen fuer Hobbyzwecke ist gestattet, jede
kommerzielle Verwendung bedarf der Zustimmung des A-DX Listenbetreibers.