[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[A-DX] Radio Mogadischu - Ein Radiosender in der Hauptstadt Somalias wehrt sich gegen Anarchie....
- Subject: [A-DX] Radio Mogadischu - Ein Radiosender in der Hauptstadt Somalias wehrt sich gegen Anarchie....
- From: "Florian Usner" <Florian-Muenchen@xxxxxxxxxxx>
- Date: 24 Apr 2010 09:27 GMT
Quelle: www.welt.de vom 21.04.10 Guten Morgen, Mogadischu! Ein Radiosender in der Hauptstadt Somalias wehrt sich gegen Anarchie, Radikale und Steinzeit-Islamismus Mogadischu - Eine verschleierte Journalistin sitzt in einem schallgeschützten Tonstudio, ein flauschiges Mikrofon vor ihrem Gesicht. "Salam aleikum", sagt sie zur Begrüßung eines Mannes, der beim Radiosender angerufen hat und nun durchgestellt wurde. Im Studio nebenan mixen die Nachrichtenredakteure gerade den täglichen Cocktail aus Chaos und Katastrophen: Auf dem Bakara-Markt wurden drei Leichen entdeckt; Präsident Scharif Scheich Ahmed predigt Versöhnung; Islamgelehrte äußern sich zur Praxis des Händeabhackens durch die Rebellen der al-Schabab; und der Ziegenpreis steigt stetig, Gott sei Dank. Es ist ein ganz gewöhnlicher Tag bei Radio Mogadischu, dem einzigen relativ freien Radiosender im Süden Somalias. Journalisten dürfen hier senden, was sie wollen - ohne Gefahr zu laufen, dafür geköpft zu werden. Die 25-Meter-Antennen ragen hoch über den Schutt der Nachbarschaft hinaus. Sie sind buchstäblich zu Leuchttürmen der Freiheit geworden - für Reporter, Redakteure, Techniker und Discjockeys aus ganz Somalia, die von radikalen islamistischen Aufständischen verjagt wurden. Wer immer Mogadischu kontrolliert, kontrolliert auch Radio Mogadischu, und seit der Sender 1951 mit der Arbeit begonnen hat, waren das: schick gemachte italienische Treuhänder, eine kurzlebige demokratische Regierung, ein Militärdiktator, einige Warlords und allerlei Gangster, islamistische Scheichs und jetzt eine schwache, aber international anerkannte Übergangsregierung, die die Hauptstadt zwar nicht im Griff hat, sich aber in der Nähe des Senders versteckt. Radio Mogadischu und seine rund 100 Mitarbeiter sind gebrandmarkt, denn die Aufständischen assoziieren sie mit der Regierung. Die Journalisten essen und schlafen deshalb auf dem Gelände und wagen sich nur selten heraus. Manche, wie Abdi Aziz Mahamud Africa, Leitender Korrespondent für Politik, laufen in ausgebeulten Jeans und Westernhemd herum - ein Auftreten, das sie in anderen Teilen der Hauptstadt das Leben kosten könnte. Am Eingang kauert eine Einheit aus Uganda, Teil der Friedensmission der Afrikanischen Union, hinter Sandsäcken, das geschäftsführende Ende ihrer Gewehre in das Gewirr zersprengter Straßen und zerschossener Häuser gerichtet. Für Journalisten ist Somalia einer der gefährlichsten Orte der Welt - binnen vier Jahren sind hier 20 Reporter ermordet worden. "Wir vermissen sie", sagt Africa über seine gefallenen Kollegen. Africa hat vorher für einen der anderen Radiosender in der Stadt gearbeitet (es gibt etwa ein Dutzend). Als dort aber Kämpfer der radikal-islamischen Gruppe al-Schabab auftauchten und die Reporter zu töten drohten, sollten diese keine Pro-Schabab-Nachrichten senden, hat er sich entschlossen zu gehen. Radio Mogadischu wirkt wie ein zersplitterndes, von Einschusslöchern übersätes Abbild der ganzen Nation. Eines der Gebäude auf dem Gelände ist kaum mehr als ein Haufen Schutt. "Black Hawk Down" heißt es und wurde 1993 in einer furchtbaren Straßenschlacht zerbombt, was in einem Buch und einem Film verewigt wurde. In einer Stadt, in der so ziemlich jedes Denkmal, jede Bibliothek und jedes Gebäude von Rang auf einen Haufen sonnengebleichter Gesteinsbrocken reduziert worden ist, könnte Radio Mogadischu eine der letzten belebten Stätten der somalischen Vergangenheit sein. In einem halbdunklen Raum mit deckenhohen Regalen finden sich zahllose Spulen, sorgsam mit verblassender Tinte etikettiert: alte Reden, Lieder, Interviews mit Nomaden und andere Zeugnisse einer verschwindenden Kultur. Jede Woche werden ein paar Bänder entstaubt und in einer Show namens "Erinnerungen" gesendet. "Ob Sie's glauben oder nicht", sagt Präsidentenberater Mukhtar Ainashe, "dieser Ort ist ein Kulturschatz." Die UN versuchen, den Somalis zu helfen, die alten Bänder zu digitalisieren, bevor Zeit und Luftfeuchtigkeit sie zerstören. Auch die langsam erwachsen werdende somalische Regierung stellt Mittel bereit, eine neue Sendeanlage zum Beispiel, die die Reichweite des Senders von ein paar Kilometern auf knapp 100 Kilometer erhöhen wird. Im Versuch der Regierung, die Herzen der Menschen zu gewinnen, spielt Radio Mogadischu eine Schlüsselrolle. Doch die Journalisten hier wollen sich auf keinen Fall als bloße Öffentlichkeitsarbeiter verstehen. Sie senden Reden von Rebellenführern, erzählen sie, und Berichte über Regierungssoldaten, die Bürger ausrauben. "Wenn die Regierung Böses tut", sagt Africa, "berichten wir darüber." Derzeit befinden sich die Macher von Radio Mogadischu allerdings zwischen Hammer und Amboss. Auf der einen Seite drohen die Islamisten mit Konsequenzen, sollte weiter die "unislamische" Musik gesendet werden. Auf der anderen Seite erklärte die Regierung, sie werde alle Radiostationen schließen, die den Extremisten nachgeben und keine Musik spielen. -- ----------------------------------------------------------------------- Diese Mail wurde ueber die A-DX Mailing-Liste gesendet. Admin: Christoph Ratzer, OE2CRM http://www.ratzer.at ----------------------------------------------------------------------- Private Verwendung der A-DX Meldungen fuer Hobbyzwecke ist gestattet, jede kommerzielle Verwendung bedarf der Zustimmung des A-DX Listenbetreibers.
- Follow-Ups:
- Prev by Date: [A-DX] Radio Marabu auf 6220 khz
- Next by Date: [A-DX] Radio Gloria International, 25.04.10, 09 UTC, 6.140 kHz.
- Previous by thread: Re: [A-DX] Radio Marabu auf 6220 khz
- Next by thread: Re: [A-DX] Radio Mogadischu - Ein Radiosender in der Hauptstadt Somalias wehrt sich gegen Anarchie....
- Index(es):