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[A-DX] BBC verordnet sich radikale Schrumpfkur im Internet


  • Subject: [A-DX] BBC verordnet sich radikale Schrumpfkur im Internet
  • From: "Florian Usner" <Florian-Muenchen@xxxxxxxxxxx>
  • Date: 26 Feb 2010 18:58 GMT


Quelle: www.spiegel.de


BBC verordnet sich radikale Schrumpfkur im Internet

BBC-Hauptquartier in London: Mehr "original britische Inhalte"

Die BBC greift zur Axt: Laut einem Zeitungsbericht will die
öffentlich-rechtliche Anstalt Radiosender, Fernsehprogramme und
Web-Seiten eindampfen. Das Online-Budget soll drastisch gekürzt werden.
Pointe: Die Maßnahmen sind ein strategisches Manöver mit Blick auf die
nächsten Unterhauswahlen.

London - Die BBC ist eine Marke, die rund um den Globus geschätzt wird.
Ihre Programme laufen in fast allen Ländern der Welt, ihre Web-Seiten
zählen zum Besten, was das Internet zu bieten hat. Doch daheim in
Großbritannien steht der öffentlich-rechtliche Sender seit längerem
unter massivem Druck. 

Neidisch blicken die von der Rezession gebeutelten privaten
Fernsehsender und Verleger auf die scheinbar unerschöpflichen Ressourcen
der Anstalt. 3,6 Milliarden Pfund erhält die BBC pro Jahr von den
Gebührenzahlern - mehr, als alle anderen Fernsehsender zusammen mit
Werbung einnehmen. Während die Privaten sparen müssen, kann die BBC ihre
dominante Position in der Krise noch ausbauen. Analog zur ganz ähnlich
gelagerten Debatte in Deutschland wurde daher zuletzt die Forderung
laut, dass der öffentlich-rechtliche Sender seinen Expansionshunger
zügeln und sich auf seinen öffentlichen Kernauftrag besinnen soll.


BBC-Chef Mark Thompson will dem Druck nun offensichtlich nachgeben. Laut
"Times" wird er im März scharfe Einschnitte in etlichen Bereichen der
Sendeanstalt ankündigen. Zwei Nischen-Radiosender stehen zur
Disposition, mehrere Fernsehprogramme für Teenager sollen eingestellt
und das Online-Budget um 25 Prozent gekürzt werden. Das Budget für den
Ankauf von ausländischen Serien wie "The Wire" soll um ein Viertel
schrumpfen, die Ausgaben für Sportereignisse auf 300 Millionen Pfund im
Jahr begrenzt werden. 

Sparmaßnahmen in Serie 

Insgesamt sollen laut "Times" 600 Millionen Pfund eingespart werden, die
an anderer Stelle wieder investiert werden könnten. Die BBC gibt also
unterm Strich nicht weniger Geld aus, sondern setzt bloß ihre
Prioritäten neu. So sollen die 25 Millionen Pfund, die bei importierten
TV-Serien gespart werden, in Eigenproduktionen auf BBC2 fließen. Vom
Sender gab es keine Bestätigung der Pläne. Die Diskussion laufe noch,
eine Entscheidung sei nicht gefallen, hieß es aus Kreisen des
BBC-Aufsichtsgremiums. 

Doch die Nachricht ist plausibel. Bereits im November hatte Thompson
versprochen, sich künftig mehr auf die Bereitstellung "original
britischer Inhalte" zu konzentrieren. In Krisenzeiten sei es wichtiger
denn je, dass die Fernsehgebühren als "Motor kreativer Investitionen in
britisches Talent" fungierten, hatte der Generaldirektor gesagt. Dafür
werde man einige Programme kürzen und sich auch die Web-Aktivitäten
genau ansehen. 

Mit dem Vorstoß will Thompson den BBC-Kritikern den Wind aus den Segeln
nehmen. Die private Konkurrenz klagt seit langem, dass der
öffentlich-rechtliche Gigant zu einem Kraken geworden sei, der den
Mitwettbewerbern die Luft abdrücke. Mit der Expansion in den
Zeitschriftenmarkt und das Internet schieße der Fernsehsender weit über
das Ziel der Grundversorgung hinaus und verzerre den Wettbewerb. Die
Kritik fällt in der Politik auf fruchtbaren Boden - besonders bei den
Konservativen, die sich traditionell als Verteidiger des freien Marktes
sehen. 

Angstgegner Murdoch 

Thompsons Vorschläge werden denn auch als präventiver Kotau vor einer
möglichen konservativen Regierung gewertet. Sollten die Tories wie
erwartet die anstehenden Unterhauswahlen gewinnen, würde der Einfluss
des Hauptgegners der BBC enorm steigen. Medienzar Rupert Murdoch hat
sich bereits das Ohr des konservativen Parteichefs David Cameron
gesichert, weil er im Gegenzug seine Zeitung "The Sun", das mächtigste
Boulevardblatt des Landes, für die Konservativen Wahlkampf machen lässt.



Murdoch kämpft seit Jahren gegen die BBC. Sie ist der Hauptrivale seines
Fernsehsenders Sky und der Online-Angebote seiner Zeitungen, darunter
der "Times". Der nun enthüllte BBC-Sparplan liest sich wie eine
Wunschliste des australischen Medienunternehmers. 

Dennoch ging der BBC-Sparkurs der "Times" nicht weit genug. Thompsons
Vorstoß sei nur ein Ablenkungsmanöver, um die nächste Regierung von der
BBC fernzuhalten, schimpfte ein Leitartikler. Die vorgeschlagenen
Veränderungen seien bloße Kosmetik. Dass es sich nicht um eine wirkliche
Schrumpfung der BBC handele, zeige schon die Tatsache, dass die
Fernsehgebühr nicht sinken solle. Es reiche nicht, "ein paar Radiosender
abzuschalten, die niemand hört", schrieb der Kommentator. 

Die Internetaktivitäten der BBC sind Murdoch ein besonderer Dorn im
Auge, weil sie seinen Plan unterminieren, Geld für Artikel im Internet
zu verlangen. Die BBC-Web-Seiten hätten "Arbeitsplätze, Existenzen und
Kreativität zerstört, indem sie Gratis-Inhalte auf Märkte werfen, wo
Rivalen ohne Subventionen auskommen müssen", schrieb die "Times". 

Die Kritik an öffentlich-rechtlichen Internetangeboten wird von anderen
Verlegern geteilt. Sollte die BBC tatsächlich wie berichtet ihr
Web-Angebot halbieren, würde dies in der Branche begrüßt, schrieb der
"Guardian". Für die BBC wäre es eine radikale Kehrtwende: Vor einem Jahr
war noch eine Aufstockung des Online-Budgets um knapp ein Drittel auf
145 Millionen Pfund pro Jahr beschlossen worden. Nun droht stattdessen
einem Viertel der Online-Mitarbeiter der Arbeitsplatzverlust.

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