[A-DX] Rundfunkversorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall

Tom DF5JL
Di Apr 30 20:06:16 CEST 2019


Moin,

in letzter Zeit ist erneut viel zu Lesen über MW, DAB(+) und dem
"Katastrophenfall". Die Bundesrepublik Deutschland habe in den letzten
Jahren alle Lang-, Mittel und Kurzwellen-Rundfunksender abgeschaltet.
Der Grund dafür seien die "angeblich" zu hohen Kosten bezogen auf die
Zahl der Hörer. Doch die Ööfentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
vernachlässigten durch die Abschaltung der Hochfrequenzsender die ihnen
auferlegten Pflichten für den Fall von Katastrophen und im Hinblick auf
die Nachrichtenversorgung unterdrückter Menschen in fremden Ländern. Die
wenigen Relaisstationen der DW in fremden Ländern seien überhaupt kein
Ersatz dafür. Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur müssten die
ÖR-Anstalten zum Umdenken bewegen. Ein Land wie Deutschland dürfe in
dieser Sache nicht zum Pfennigfuchser werden.

Wer jetzt jubelt, jubelt zu früh. Und an falscher Stelle.

"Die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten vernachlässigten durch die
Abschaltung der Hochfrequenzsender die ihnen auferlegten Pflichten für
den Fall von Katastrophen und im Hinblick auf die Nachrichtenversorgung
unterdrückter Menschen in fremden Ländern." Klingt logisch. Nur steht
das so nirgends in den Rundfunkgesetzen. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk hat vielmehr den verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrag,
einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu
leisten und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen
beizutragen. Danach soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen
Programmangeboten „zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und
Unterhaltung einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit
zur öffentlichen Meinungsbildung“ leisten. Grundversorgung meint, dass
ein flächendeckender Empfang von Rundfunk für die Allgemeinheit genauso
gewährleistet sein muss wie ein vielfältiges Programmangebot.
Katastrophenfunk? Nachrichtenversorgung unterdrückter Menschen in
fremden Ländern? Fehlanzeige!

Flächendeckender Empfang, und zwar im konkret beauftragten Sendegebiet -
ja, das ist der Auftrag! Nur war der mit MW und UKW bspw. für den DLF in
den letzten Jahren nicht zu erfüllen: "Wir bespielen über 320
UKW-Frequenzen und erreichen dennoch nicht die Menschen in Deutschland",
darauf verwies etwa DLF-Intendant Willi Steul in einem Interview Ende
2015. "In Bayern erreichen wir mit dem Programm Deutschlandradio Kultur
nur etwa 20 Prozent der Bayern." Mit dem Einstieg in die DAB-Technik
änderte sich dieses: „Wir erreichen heute mit unseren drei Programmen
Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen bereits über
DAB potenziell mehr Menschen als über Mittelwelle und die über 320
UKW-Sender“, sagte er im DLF.

Die Kehrseite der Medaille: MW und DAB waren parallel nicht zu
finanzieren. Daher machte die KEF, die Kommission zur Ermittlung des
Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, eine klare Ansage: Mittel für den
Auf- und Ausbau des terrestrischen Digitalradios DAB+ gab sie nur unter
der Maßgabe frei, dass die ARD-Anstalten und das Deutschlandradio im
Gegenzug auf die Lang- und Mittelwelle verzichten, die ohnehin nur noch
geringe Hörerzahlen erreicht.

Die BNetzA hat mit alledem übrigens nichts zu tun, auch nicht die
Bundesregierung (Rundfunk ist Ländersache in Deutschland). Und die DW
wird zwar vom Außenministerium bezahlt (kein öffentlich-rechtlicher
Rundfunk!), sie ist aber nicht zur Versorgung der Bundesrepublik gedacht.

Auch ich bin dafür, das Bund und Länder sich um die Rundfunkversorgung
der Bevölkerung Gedanken machen. Aber mit den sachrichtigen Argumenten ;)

Ich wünsche alle einen schönen 1. Mai. Und möchte daran erinnern, dass
anlässlich des Kampftags der Werktätigen bis zum heutigen Abend 23:59
Uhr zu beflaggen ist. Vertikalantennen eignen sich besonders gut dazu [
;) Scherz]

73 Tom DF5JL