[A-DX] ...und noch ein DXer-Fossil

Norbert Reiner
Samstag, 17. September 2022, 22:28 Uhr


Liebe A-DX-Runde,
jetzt muss ich aber auch noch meinen Senf, äh meine Vorstellung, einbringen:
Ich bin Jahrgang 1951 (hört sich doch besser an als "71 Jahre alt", oder?), Pensionär, in etlichen Vereinen / Institutionen engagiert.
Mein Weg als DXer begann im Februar 1962 bei der Lektüre der Micky Maus, wo ich im redaktionellen Teil einen Bericht über unser Hobby fand. Wie wir neulich festgestellt haben, bin ich nicht der Einzige in der Gruppe, der sich durch dieses Artikelchen motiviert fühlte. Ich drückte am Saba Meersburg meiner Eltern die KW-Taste, entdeckte im 31 Meterband Radio Vatikan auf Deutsch, schrieb mit Viertklässlerschrift einen Empfangsbericht auf eine Postkarte (wie man das macht, war von Micky beschrieben) und erhielt etwa zwei Wochen später die ersehnte QSL - mit lateinischem Text.
Mit dem Saba Meersburg machte ich dann meine ersten Erfahrungen, immerhin klappte es mit der eingebauten (Ferrit)-Antenne unter anderem mit Radio Peking, Radio Australia, Radio Südafrika, Radio Japan und Radio Kanada. Dort war in einer Sendung für Kurzwellenhörer die Rede von der Hobbyzeitung "Der Wellenjäger", die bald darauf regelmäßig im Briefkasten lag. Der Herausgeber, der legendäre Hermann Jäger, stellte mich als den "Benjamin" vor. Wie sich die Zeiten doch ändern! 
Ein erster Quantensprung war Mitte 1963 der Pinguin Akkord, ein "Kofferradio", das auch den Frequenzbereich des 60 Meterbandes umfasste. Meine erste Tropenbandstation war Radio Dahomey auf 4870 kHz (so hieß damals Benin). Radio Americas, eine legendäre Anti-Castro-Station, die angeblich von der honduranischen Schwanen-Insel / Swan Island aus sendete, hörte ich auf 6000 kHz nachts unter der Bettdecke, am nächsten Tag war ja Schule. Und auch der Windward Islands Brodasting Service aus Grenada war im kleinen Pinguin-Trasistor auf 15085 kHz zu hören.
Zu Weihnachten 1965 gab es dann den ersehnten Zuschuss für den Grundig Satellit 205. Das war nochmals eine Steigerung. Nach dem nachträglichen Einbau eines BFO eröffnete sich die faszinierende Welt der Point-to-Point-Stationen, die damals neben Überseekabeln mehr oder weniger die einzige Möglichkeit waren, Telefongespräche über lange Distanzen zu übermitteln. Eine nostalgische Reise in diese Zeit bietet die Seite von Rainer Brannolte (http://www.utilityradio.com/),  danke Rainer! Mehrere Jahre lang war ich ptp-Editor beim Swiss-Short-Wave-Club und natürlich Mitglied beim schwedisch-niederländischen Radio Communications DX Club sowie beim Benelux-DX-Club (später kamen DSWCI und play dx hinzu). Intensiven Kontakt pflegte ich damals zur Point-to-Point-DX-Legende Hans Joachim Russow aus Berlin, leider ist Hajo viel zu früh verstorben. 
Die Seesender-Piraten in den 1960ern passten hervorragend zum Durchpubertieren. Sie konnten indes nicht verhindern, dass ab 1970 das DXen sehr in den Hintergrund geriet. Nach einer Phase des "Austobens" bei den anderen Freuden des Lebens kehrte die Faszination am Radio 1975 wieder zurück. Schwerpunkte waren zunächst die Mittelwelle (u. a. lokale Spanier und Briten - 90 % QSL-Quote, auch etliche Trans-Atlantik-Beobachtungen), das Tropenband (heute unvorstellbar, was da alles sendete und zu hören war, mehr oder weniger ohne lokales QRN), dann mehr und mehr Küstenfunk und NBD's (seit Jahrzehnten bin ich in regelmäßigem freundschaftlichem Austausch mit Michael Oexner).
Von 1989 bis Anfang dieses Jahres war mein Hauptempfänger der ICOM R71E mit verschiedenen Antennen (Draht, selbstgebaute Rahmenantenne, ALA 1530), Reiseempfänger waren / sind der Siemens RK 651 und der Lextronix E5, letzterer ist neben dem kleinen microspot dab+/fm-Empfänger und dem ordentlichen VW-Autoradio (FM, DAB+, MW) auch mein UKW-Empfänger. 
So haben sich 25 Ordner mit QSL's angesammelt (in der Regel eine QSL pro Sender!) und man denkt auch schon mal dran, wo und wie sie einmal vor dem Schredder bewahrt werden. In der Reflexion 250 des UKW/TV-Arbeitskreises ist übrigens mein Beitrag "QSL's aus fünf Jahrzehnten" zu finden (ich bin Editor der QSL-Seite der Reflexion).
Also viel Nostalgie - und heute?
Wir diskutieren auf der Liste ja ausführlich die Veränderungen für unsere Spezies. Sind wir ein Auslaufmodell? Ja und nein!
Denjenigen, die breit aufgestellt sind, bietet sich nach wie vor ein tolles Betätigungsfeld. Ich versuche seit einigen Monaten mit einem BeagleBone KiwiSDR von WIMO und der Reuter RLA4E das lokale QRN auszutricksen, durchaus mit einigem Erfolg. Im Juni dieses Jahres hatte ich Adrenalinschübe bei den Sporadic-E Überreichweiten in Richtung Türkei und Irland - im Autoradio- und freue mich über einige QSL's. Ja, es ist nach immer noch möglich, an QSL's zu kommen. Wir dürfen kein Fachchinesisch verwenden, sollten uns in die Ansprechpartner bei den Stationen (meist ohne technischen Hintergrund) hineinversetzen und zusätzlich zur Beschreibung des Empfangs freundlich und verständlich unser Hobby und unseren Wunsch nach einer Bestätigung erklären, möglichst ein Clip beifügen.
Machen wir weiter mit unserem schönen Hobby und versuchen wir, mit unserer Begeisterung auch Jüngere "anzustecken".
Zu guter Letzt gilt Dir, Christoph, Dank und Anerkennung für Deine Arbeit und Dein Engagement.
73 aus Karlsruhe,
Norbert