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[A-DX] Das DRM-Konsortium... / Zukunft des weltweiten Rundfunks


  • Subject: [A-DX] Das DRM-Konsortium... / Zukunft des weltweiten Rundfunks
  • From: "Stephan Schaa" <schaa@xxxxxxxxxxx>
  • Date: Tue, 21 Aug 2007 20:57:19 +0200

Hallo Martin, Hallo Erik!

>Hör Dir doch mal die Kurzwelle an, von etlichen langweiligen,
>unterfinanzierten Auslandsdiensten hin zu Propagandasenden, gelegentlichen
>Übertragungen eines Inlandsdienstes hin zu Betbrüdern, von soft
>missionierenden HCJB und Evangeliumsrundfunksendungen hin zu
Hardcore->Biblethumpern wie Brother Stair und Konsorten (...) dazu dann noch
in >Jülich oder sonstwo angemietete Sendungen von "Clandestines"(...). Das
ist >doch ein völlig krankes Sammelsurium an Durchgeknallten.

Hmm, war das je anders in den letzten 30 Jahren? Ich kann mich jedenfalls
nicht so recht erinnern ;-) 
Der eine mags, der andere weniger. Zumindest heben sich diese Sender vom
FFN, Antenne... Einerlei ab, wenn man mal was anderes hören will und man
stellt vielleicht fest, warum sich das eine oder andere Land etwas
wunderlich verhält auf der politischen Weltbühne, weil ihre Vorstellungswelt
eben eine andere ist. 


>Im Zweifelsfall werden die Bänder halt leer. Doch was wäre aus Sicht des
>Hörers daran so schlimm? Schließlich gibt es neben doch mit dem
Breitband->Internet/Livestreams inzwischen Alternativen zum Empfang über MW
und KW. >Heute ist die Auswahl an internationalen Programmen größer denn je.

Ja, allerdings setzt das voraus, dass ein potentieller Hörer das Angebot
überhaupt findet in den weiten des Internet. Es gibt da eine Theorie, dass
unbegrenztes Angebot den Ottonormalhörer überfordert und eine Verknappung
und ein Übersichtlicheres Angebot dem Benutzer durchaus entgegen kommen. Das
kann, so sehe ich das aber auch, durchaus ein Erfolgsfaktor für
Streaming-Standalone Webradioempfänger werden. Aber prinzipiell schließt der
eine den anderen Verbreitungsweg ja nicht aus. 

Außerdem haben wir schon jetzt eine Zweiklassengesellschaft von Menschen,
die mit dem INet umgehen können und andere, die nicht. 

Ganz abgesehen vom mobilen Empfang der üblichen Wellen und den weniger
entwickelten Gebieten, die dann im Regen stehen (zB. habe ich gerade erst
mitbekommen, dass in Ecuador ein DSL Anschluss, wenn überhaupt in einer
großen Stadt zu bekommen, etwa 3x so teuer ist wie einer bei uns - und da
bei wesentlich geringeren Durchschnittseinkommen): Auch wenn die DRM
Marketingleute Europa (und ganz speziell Deutschland) als Kerngebiete für
ihre ersten Radioempfänger erkoren haben, darf man nicht vergessen, dass es
andere Gebiete sind, in denen das System wirklich nötig und wichtig wäre.

>Eine Frage an Dich: Wie lange soll denn DRM noch künstlich am Leben
>erhalten werden?
>Wie lange soll dieser Aufwand für 20.000 oder 30.000 DRM-Hörer weltweit
>getrieben
>werden? Selbst wenn sich deren Anzahl in den nächsten Jahren auf
>300.000 verzehnfachen sollte, wäre das immer noch ein Witz!

Ich frage mal ketzerisch: Wie viele Hörer hören denn die analogen
Kurzwellensendungen? Kaum mehr würde ich sagen und wenn die 30.000 DRM Hörer
neue zusätzliche Hörer wären, hätte sich das Ganze schon bezahlt gemacht bei
Verdoppelung der Hörerzahlen. ;-)

Ich denke, die Entwicklung wird eine andere sein: Die Digitalisierung des
terrestrischen Rundfunks wird garantiert in den kommenden Jahren deutlich
voranschreiten, da die Distribution für die Sender digital über DAB+ (und
vielleicht auch DRM+ als lokale Ergänzung) deutlich günstiger ist als über
die klassischen UKW-Netze. Die neuen Codecs (MPEG4, wie in DAB+ vorgesehen)
sind dabei so deutlich effizienter, dass DAB einfach nicht daran vorbei
gehen kann. 

Die direkte Satellitenverbreitung an mobile Empfänger(zB. ins Auto) wird in
Deutschland auf absehbare Zeit nicht möglich sein, da der Einfallswinkel in
unseren Breiten einfach zu spitz ist und an jeder Laterne ein terrestrischer
Füllsender her müsste (was in den USA trotz deutlich südlicherer Lage in
allen Ballungszentren bei den Direct-Sat-Radios die Kosten in die Höhe
treibt).

Und wenn man dich dann das DAB+ mal genauer anschaut, wird man folgendes
erkennen: Die verwendete Modulation ist COFDM und der dann verwendete
Audiocodec AAC bzw. AAC+. Hmm, das sind dieselben Basiszutaten wie auch im
DRM-System.

Das bedeutet konkret, dass es für die Hersteller der DAB, DAB+
Radioempfänger gar keinen so großen finanziellen Unterschied mehr machen
wird, ob sie auch DRM/DRM+ mit in das Gerät einbauen. - Das werden sie aber
nur dann tun, wenn es auch Sender gibt, die in diesem Bereich und in diesem
Format senden.

Ich bin persönlich kein großer Freund von Subventionen und es gibt
glücklicherweise eine ganze Reihe von Stationen, die das DRM-Format auch
ohne Subventionen ausprobieren, aber an Stelle der großen internationalen
Broadcaster und im Sinne der weltweiten Meinungsfreiheit würde ich sagen: So
lange durchhalten, bis dieser Schritt zur selbstverständlichen Integration
von DRM-Software in DAB+ Receivern erfolgt ist. 

Wenn nämlich in spätestens 5 Jahren nach GB auch das europäische Festland
kräftig digitalisiert, kommen plötzlich die kurzen, mittleren und langen
Wellen mit ihren vielleicht etwas freakigen Programmen mit den Millionen von
immer günstiger werdenden DAB+ (inkl DRM)-Empfängern in Fahrt so wie vor 20
Jahren, als in Japan plötzlich die Weltempfängerindustrie explodierte,
nachdem Sony prima kleine und Leistungsfähige Empfänger baute, die auch noch
diesen Kurzwellenteil hatten und man damit die ganze Welt hören konnte. 

Also: Ich denke, dass die Kurz- Mittel- und Langwelle dann noch eine Chance
haben, wieder an Bedeutung zu gewinnen, wenn sie Huckepack mit den neuen
Digitalen Angeboten DAB/DAB+ kommen. So ist jedenfalls meine Hoffnung und
Vorstellung... :-)

>Jeder seriös kalkulierende Kaufmann hätte ein Produkt, von dem laut Planung
>innerhalb von zwei Jahren 2 Millionen Stück hätten abgesetzt werden sollen
>und von dem dann tatsächlich nur wenige tausend verkauft worden sind,
>eingestellt. 

Ja, zum einen zu viel Marketinggeschwätz von Leuten die entweder keine
Ahnung hatten oder keine große Liebe zur Wahrheit... 

Man muss aber auch erwähnen, dass es eben nicht ganz so einfach zu sein
scheint, ein gutes digitales Gerät zu bauen. Das sieht man 
a) daran, dass viele ehemals als hochwertige analoge Empfänger verkaufte
Geräte eben doch nicht ganz so hochwertig waren und ein sehr unsauberes
Oszillatorsignal abgaben (das sicherlich für den analogen Empfang
ausreichend war) und deswegen nicht für digitale Betriebsarten umgerüstet
werden können und 
b) die ersten Generationen an DRM (Modul)- Empfängern nicht annähernd an die
Empfangsergebnisse von (teilweise billigeren) SDR-Platinen rankommen.

Es scheint nötig zu sein, sich bei der Konstruktion digitaler Radios mit
völlig neuen Empfangskonzepten auseinandersetzen zu müssen, um ein
taugliches Radio hinzubekommen. (Zumindest aber darf man HF-Technisch nicht
so viel pfuschen, wie es vor allem in China üblich ist.) 

Und wenn Sangean zB. mit anderen Entwicklungen schneller Geld verdienen
kann, dann werden Sie dem natürlich zunächst den Vorzug geben. 
Darum sind es vorwiegend kleinere "Krauterfirmen", die sich mit
Risikokapital an der Entwicklung von DRM Radios versuchen. Sie hoffen, als
"First-Mover" den Markt zu gewinnen. Für die großen ist es kein Problem,
erst mal abzuwarten und dann den Markt später mit schneller Entwicklung
abzuräumen, wenn er reif ist (wenn er es denn wird).

>Aber DRM wird ja mit Steuergeldern und Gebühren bezahlt und
>fremdes Geld gibt sich bekanntlich leicht aus.

Ja, das  "Steuerfinanziert" trifft aber für die DW z.B. komplett zu (und
auch alle anderen Auslandssender machen das ebenfalls so). Soll die DW auch
besser gleich mit DRM eingestellt werden für die paar Hörer, die sie um den
Globus hat? Das ist aber irgendwie eine ganz andere Diskussion und soweit
ich mich erinnere, soll die DW auch das Bild Deutschlands in der Welt
verbessern. Wenn das so ist, kann sie das u.a. auch dadurch erreichen, wenn
High-Tech "Made in Germany" weltweit verbreitet werden wird. Damit hätte sie
dann im erfolgreichen Fall ihren Dienst mehr als erfüllt. ;-) 

Soweit zu meiner Meinung. :-)

Beste Grüße,

Stephan


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