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Re: [A-DX] Lebt wohl, Genossen


  • Subject: Re: [A-DX] Lebt wohl, Genossen
  • From: Tom DF5JL <df5jl@xxxxxx>
  • Date: Wed, 01 Feb 2012 21:33:49 +0100

Ja Herbert, das war 1986. Da gab es weder Twitter, Facebook, keine SMS, kein Internet. Jedenfalls nicht für Otto-Normalbürger. Aber das WWW war auch noch nicht erfunden.

Aber, nicht zu vergessen: Es gab auch keine Schaltnetzteile, keine LCD- und Plasmabildschirme, kein PLC. Nur Weidezäune und Heizungssteuerungen, schlecht entstörte Mixer und Bohrmaschinen. Was haben wir die damals verflucht.

Nur, halten wir kurz inne und fragen wir uns mal, wie allgemein die Informationen über die Tschernobyl-Katastrophe uns damals erreichten. Ohne wissenschaftlichen Anspruch hier eine kurze zeitliche Skizze:

Am 26. April 1986 um exakt 1 Uhr 23 Minuten und 44 Sekunden kommt es im Block 4 des Atomkraftwerkes in Tschernobyl, nahe der ukrainischen Stadt Prypjat, zum GAU.

Erst am 28. April 1986, um 9 Uhr, wird im über 1.200 Kilometer entfernten Kernkraftwerk Forsmark in Schweden aufgrund erhöhter Radioaktivität auf dem Gelände automatisch Alarm ausgelöst. Messungen an der Arbeitsbekleidung der Angestellten ergeben erhöhte radioaktive Werte. Nachdem die eigenen Anlagen als Verursacher ausgeschlossen werden können, richtet sich der Verdacht aufgrund der aktuellen Windrichtung gegen eine kerntechnische Anlage auf dem Gebiet der Sowjetunion. Um 19:32 Uhr MEZ schickt die Presseagentur dpa eine erste Eilmeldung an die Nachrichtenredaktionen in der Bundesrepublik Deutschland ab.

Um 21 Uhr informiert die russische TV-Nachrichtensendung Vremya: "Es gab einen Unfall in der Kernkraftanlage Tschernobyl. Ein Reaktor wurde dabei zerstört. Es wurden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Betroffene erhalten Hilfe. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt." (http://en.wikipedia.org/wiki/File:Pripyat_1986.ogg)

Ebenfalls zu dieser Zeit berichtet ABC über das Unglück (http://www.istpravda.com.ua/videos/2011/04/25/36966/).

Am 29. April 1986 sprechen sowjetische Quellen erstmals von einer „Katastrophe“ und von zwei Todesopfern. Internationale Medien berichten erstmals ausführlicher über den Unfall, verfügen aber über kein Bild- oder Filmmaterial vom Unglücksort. US-Militärsatelliten liefern ab dem Nachmittag erste Aufnahmen und Informationen, die allerdings der Öffentlichkeit vorenthalten werden.

Am 30. April 1986 wird im sowjetischen Fernsehen erstmals ein Foto vom Unglücksort gezeigt. Die ARD-Nachrichtensendung Tagesschau zeigt dieses Foto ebenfalls.

Fragen: Wie kommt die (unwahre) Behauptung zustande, dass erst nach den 1. Mai-Feiern in den UdSSR über Tschernobyl berichtet wurde? Wieso entstand der Eindruck, dass RL/RFE vorbildlich und deutlich schneller als russ. Medien berichtet haben?

Dieser Eindruck, der hier erzeugt wird, lässt sich aus meiner Sicht angesichts der oben zusammengetragenen Fakten nicht halten. Sowohl westliche als auch östliche Medien haben doch offensichtlich (nach damaligen Maßstäben) zeitnah berichtet, und beide v o r dem 1. Mai.

Wie gesagt, damals gab es noch kein Twitter, Facebook, keine SMS, kein Internet. Sonst wären die Informationen sicher anders, schneller, umfassender in die Öffentlichkeit gelangt (vgl. Fukushima).

Es macht mich schon nachdenklich, wenn offensichtlich die Darstellung von Geschichte gebeugt werden muss, um die Kurzwelle ein wenig hochleben zu lassen. Sie hat unbestrittene Leistungen erbracht. Denken wir an Rettungseinsätze auf See, an Hörfunkreportagen bedeutsamer Ereignisse an ein internationales Publikum. Aber letztlich gilt noch immer: Video killed the Radio Star. Schon 1986 informierten sich breite Bevölkerungsschichten über das Fernsehen. Allenfalls hinter dem eisernen Vorhang, in Kriegs- und Krisengebieten hatte KW-Hörfunk noch lange ein Alleinstellungsmerkmal. Aber nicht in jeder Hinsicht, wie die o. g. Ausführungen belegen.

tom df5jl







Am 01.02.12 18:08, schrieb Herbert Meixner:
http://www.arte.tv/de/Lebt-wohl--Genossen_21/4314104.html

In dieser aktuell gesendeten Serie auf ARTE wird im 3.Teil zum Ereignis
des Atomungluecks in Tschernobyl (26. April1986), von einem dort
gewesenen und Ueberlebenden auf die damalige Wichtigkeit der
Informationen durch die Sendungen von Radio Liberty und Radio Free
Europe hingewiesen. Die UdSSR-Medien begannen erst nach den 1.Mai-Feiern
mit der Berichterstattung darueber.

Mit Gruss,
Herbert
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