[A-DX] was wäre wenn: MW-Abschaltung vor 35 Jahren

Erik
Fr Jan 1 12:54:46 CET 2016


Wenn die Abschaltung der deutschen, der französischen und einiger 
anderer Mittelwellensender vor 35 Jahren stattgefunden hätte, hätte ich 
wahrscheinlich mein Abitur nicht geschafft!

Welche interessanten Sender hätte ich damals alles hören können, wenn 
nicht im Rahmen des gemeinsamen ARD-Nachtprogramms auf - gefühlt - 20 
Frequenzen parallel Tanzmusik ausgestrahlt worden wäre. Deutschlandfunk 
& Co taten ein Übriges. Und das teilweise mit Sendeleistungen, die zu so 
hohen Feldstärken geführt haben, dass bei meinem auf Mittelwelle 
ansonsten sehr guten Röhrenempfänger TRIO 9R59DS auch die Nachbarkanäle 
mehr oder minder dicht waren.

Größtes Ärgernis war damals der von meinem Wohnort ca. 8km entfernte 
Sender Braunschweig - wahlweise auch Königslutter, Cremlingen, Wohld 
genannt - der auf 548 kHz und später auf 756 kHz mit seinen bis zu 800 
kW gleich mehrere benachbarte Frequenzen unbrauchtbar machte (hinzu kam 
die erste Harmonische auf 1512 kHz). Viel "Freude" machte mir auch der 
nicht weit entfernte DDR-Sender Burg auf 782 kHz. Was hätte ich nicht 
für einen Sturm gegeben, der die Masten umgelegt...

Die Empfangsberichte an die nun nicht gehörten Stationen hätten soviel 
Zeit gekostet, die man als Schüler mit Durchschnitts-IQ kurz vor dem Abi 
nicht gehabt hätte. Schließlich hat das Abhören der Kassetten, um 
Berichtsdetails aus dem Gespratze und dem Knistern herauszuhören und das 
anschließende Tippen auf einer mechanischen Schreibmaschine pro Bericht 
mindestens eine gute Stunde gedauert. Und neben der Zeit habe ich auch 
viel Porto gespart. Insofern muß ich den vielen fetten ARD-Sendern im 
Nachhinein eigentlich dankbar sein. Vielleicht würde ich jetzt sonst bei 
DHL Pakete ausfahren.

Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, dass ich die Abschaltung der 
damaligen Störquellen heute mit etwas Wehmut betrachte. Echtes 
Mittelwellen-DX ist an meinem Wohnort dank man-made-noise sowieso nicht 
mehr möglich und das nächtelange Durchmachen hinter dem Empfänger ist 
alters- und berufsbedingt auch nicht mehr angesagt. In der Innenstadt 
freut man sich, wenn man beispielsweise Ljubljana oder die RAI halbwegs 
störungsfrei hereinbekommt. Dass ich nun bei Autofahrten durch Dänemark 
und Frankreich auf die dortigen Inlandsprogramme angewiesen bin, erfüllt 
mich auch nicht gerade mit Freude.

Die heutige Smartphone- und Tablett-Generation tut mir trotz der 
unendlichen Zahl an "Sendern", die jederzeit in bester Qualität hörbar 
sind, ein bißchen leid. Kalte Technik ohne Erlebniswert und ohne 
Überraschungen - reines konsumieren.

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Erik