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Re: [A-DX] BIRMA: "Alle Verbindungen ins Ausland gekappt"


  • Subject: Re: [A-DX] BIRMA: "Alle Verbindungen ins Ausland gekappt"
  • From: Tom DF5JL <df5jl@xxxxxx>
  • Date: Sat, 29 Sep 2007 20:22:17 +0200

Hallo Harald,

ich beziehe mich auf Deine Mail von heute morgen früh. Ich verstehe
diese dahingehend, dass Du meinen im Betreff genannten Beitrag für zu
politikbezogen hälst und Du diese Liste eher als DX-Empfangsliste
betrachtest. Beiträge wie der genannte solle ich doch eher in
Politikforen veröffentlichen, da dieser geeignet sei, Stimmung zu
machen.

Leider hast Du darauf verzichtet, zu begründen, weshalb mein genannter
Beitrag aus Deiner Sicht dazu geeignet ist, "Stimmung zu machen"
beziehungsweise deutlich zu machen, in welche Richtung diese
"Stimmungsmache" denn gehe. Aus Deinen Anmerkungen zu den Politikforen
("...die glauben alles") sowie Deiner Frage ("Übrigens, warst Du schon
mal in Birma?") kann ich aber auf eine bemerkenswerte Haltung gegenüber
der aktuellen Situation in Myanmar schließen. Möglicherweise beinhaltet
Deine persönliche Haltung sogar eine Kritik gegenüber der westlichen
Berichterstattung - vielleicht hälst Du sie gar für überzogen oder
ungerechtfertigt. Ich könnte Dir begründen, warum ich sie für noch viel
zu harmlos halte, aber das sollte in der Tat nicht hier, sondern in
Politikforen diskutiert werden.

Den von Dir kritisierten Beitrag stellte ich deswegen hier in der
A-DX-Liste ein, weil er aus meiner Sicht vortrefflich dazu geeignet ist
deutlich zu machen, dass viele der aktuell diskutierten und umgesetzten
medienpolitischen Konzepte der Information einer breiten Bevölkerung in
Krisengebieten nicht gerecht wird, ebenso wenig dem Anspruch der Welt
auf Information aus diesem Krisengebiet.

Immer mehr Sender stellen ihre Auslandssendungen auf MW oder KW ein oder
reduzieren ihr Angebot deutlich. Eine Bestandsgarantie gibt es nicht
mehr (wenn es sie denn je gegeben haben sollte). Gelder für die
Entwicklung von Rundfunk fließen nur noch in digitale Technologien, die
letztlich zwei Ziele verfolgen: die technische Qualität der Sendungen zu
verbessern bzw. neue Märkte zu erschließen. Beide Ziele sind durchaus
legitim. Doch analoger Kurzwellenrundfunk hat da, wenn wir mal die
rosarote DXer-Brille auf dem Stationstisch liegen lassen, kaum mehr eine
Chance auf Weiterentwicklung. Selbst die VoA setzt im aktuellen Fall
"Birma" bereits auf den Einsatz von Satellitenprogrammen, ebenso wie die
Opposition in Oslo. Begründung: "Entsprechende Empfänger sind in Birma
verbreitet, da auch die Rundfunkanstalten des Militärregimes so
senden." [siehe auch:
http://radioskala.blogspot.com/2007/09/stichwort-die-demokratische-stimme.html#links] Von Kurzwellenradio ist hier nicht die Rede...

Daneben möchte ich in Ergänzung auf Veränderungen in der alltäglichen
journalistischen Arbeit hinweisen: Vor allem unter westlichen
Journalisten ist es vermehrt zur Gewohnheit geworden, sich auf das
Internet als Kommunikations- und Informationsmedium zu verlassen.
Auslandsberichte westlicher Korrespondenten gelangen heute schon aus
Übersee per FTP in die heimatlichen Redaktionshäuser. Im Falle des
Tsunamis in Indonesien hatte das beispielsweise ja auch gut geklappt:
Bilder von professionellen Journalisten ebenso wie Snapshots von
Touristen huschten in Windeseile direkt oder über Blogs in die
Hauptnachrichtensendungen jener Erdteile, die von der Katastrophe nicht
betroffen waren. Ähnliches konnten wir im Falle des Hurricans Katrina
beobachten.

Doch auf die Gefahr, die mit dieser Entwicklung einhergeht, darauf
sollte vor allem mein Beitrag aufmerksam machen: Wie anfällig das
Internet gegenüber Manipulation von mächtigen Regierungen ist. Eine
Software wie bspw. "Fortinet Firewall" erlaubt ja nicht nur die
Totalblockade ungeliebter Inhalte nach außen, sondern auch im eigenen
Land. China dürfte daher ein weiterer Kandidat sein, um mit
vergleichbarer Software ungeliebte kritische Inhalte nach innen und
außen zu unterdrücken.

In der Folge hieße das: Setzt sich der Trend gegen die analoge Kurzwelle
mit ihren vergleichsweise günstigen und leicht erhältlichen
Empfangsgeräten weiter fort, stellen große Rundfunkhäuser ihre
Kurzwellenaussendungen weiter ein zugunsten eines Internetangebots [vgl.
Schweizer Radio International oder auch die BBC: Während meines letzten
Italienaufenthalts konnte ich mit meinem SONY ICF-7600 D stundenweise
kein BBC-Programm mehr empfangen(!), RNW und DW dagegen schon...],
schwindet die Möglichkeit zum "Krisenradio" und damit die potentielle
Versorgung der Bevölkerung in Krisengebieten mit "unabhängigen
Nachrichten". [Im übrigen ist auch eine Satellitenversorgung wirksam zu
stören. Und DRM bietet in dieser Situation aufgrund der um
Zehnerpotenzen störanfälligeren Modulation und der aufwändigeren und
teuren Technik auf Empfängerseite keine echte Alternative.] 

Zum anderen zeigt der Fall "Birma", wie wenig sich unabhängiger
Journalismus auf das Internet allein als Medium zur
Informationsbeschaffung bzw. -übermittlung verlassen darf. Gefragt sind
auch weiterhin gute und glaubwürdige Kontakte vor Ort ("Humint" würden
die Geheimdienstler das nennen...), die zudem willens und in der Lage
sein müssen, diese Informationen auch unter schwierigen Umständen außer
Landes zu bringen.

Zusammenfassend heißt das: Im Moment haben wir es mit einem großen
technologischen Paradigmenwechsel zu tun, dessen weitreichende Folgen
wir noch nicht abschätzen können. Aber sollte, übrigens zum ersten Mal
in der Geschichte der Menschheit, ein Medium (das "DIGITALE") andere
vollständig ersetzen, könnte es sein, dass wir liebgewonnene
gesellschaftspolitische Errungenschaften wie die Freiheit auf
Information oder die informelle Selbstbestimmung unwiederbringlich
verlieren könnten bzw. sehr verletzlich machen.
 
Ich finde, diese medienpolitischen Hintergründe und Diskussionen machen
unser Hobby doch noch mal um einiges spannender. Und das diskutiere ich
gerne mit meinen Hobbykollegen, auch hier in der A-DX-Liste. Ich habe
allerdings auch nichts dagegen, wenn einer allein und sportiv QSL-Karten
aus allen Winkeln dieser Erde sammelt, unabhängig der politischen Lage
in diesem Land oder der globalen technologischen Entwicklungen. Doch das
Wissen darum, warum immer weniger Länder QSL-fähig werden, schadet eben
auch nicht.

Beste Grüße und allzeit eine Zeigerbreite Signal über dem Rauschpegel
wünscht

Tom DF5JL




Am Samstag, den 29.09.2007, 01:24 +0200 schrieb HName gelöscht!:
> Hallo Tom,
> wäre es vielleicht möglich, etwas weniger Politik und mehr über DX 
> Empfang zu bringen? Birma im Radio gehört?
> Ansonsten versuch es doch mal in einem der vielen Politikforen,
> dort sind die richtigen Adressaten, die glauben alles.
> Ach übrigens, warst du schon mal in Birma oder willst du nur Stimmung 
> machen?
> Harald
> 

-- 
Tom DF5JL -- RX: Lowe HF150, Sony ICF 7600D, Redsun RP2100, IC-745 E -
ANT: aperiodic 7-m-Vertical, L-Wire (matched), Magnetic Loop - QTH:
53881 Euskirchen // radioskala.blogspot.com


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