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AW: [A-DX] Ham Radio 2009 (war: Wiener Sammlung vs. Archiv)


  • Subject: AW: [A-DX] Ham Radio 2009 (war: Wiener Sammlung vs. Archiv)
  • From: "Nils Schiffhauer" <dk8ok@xxxxxxx>
  • Date: Thu, 11 Jun 2009 08:06:35 -0000

...wenn ich hier kurz etwas zu meinen beiden Begegnungen mit dem
RBI-Intendanten Klaus Fischer beisteuern darf, vor 1989 und danach:

* vor 1989 besuchte ich ihn mit Blochs "Prinzip Hoffnung" als Geschenk; die
mehrbändige Ausgabe des ehemaligen Republikflüchtlings war nicht
wohlgelitten, die Einfuhr dieser Literatur untersagt. Natürlich wurde ich
ausgerechnet da das einzige Mal bei der Einreise in einen separaten Raum
gewunken und kontrolliert. Aber das fand unter irgendwie gegenseitigem
Einvernehmen statt. Das Gespräch selbst startete steif, wurde danach aber
beinahe vertraulich.

* in der Wendezeit knüpfte ich daran an, fuhr zum ersten Mal mit dem Taxi
über die schon offene Grenze und traf eine bis in die Spitze verängstigte
Mannschaft, die sich schon im Rachen des ideologischen Gegners sah. Dennoch
aber sagte: "Uns wird’s weiter geben!" Ich daraufhin: "So viel müßt ihr doch
in der Schule gelernt haben: DW und DLF werden euch vernichten mit
Haut&Haar!" (wie es dann ja auch kam, wobei ich meine Einschätzung
allerdings aus einem vorher gewährten Interview mit dem DLF-Intendanten
bezog, ein Kalter Krieger in der Nähe des absoluten Nullpunkts). In Berlin
rekapitulierten auch einige Gesprächspassagen aus dem ersten Gespräch. Viele
Bewertungen hatten Bestand, anderes wurde anders eingeordnet.

Aus diesen Begegnungen habe ich die Arbeitsmotivation beider Seiten
verstehen gelernt, die sich freilich nicht (allein) aus Aktenmaterial
ergibt. Staatlicher Rundfunk ist halt Ideologieproduktion, da darf man sich
nicht groß wundern, wenn hier manchmal die Entfremdung der Produzenten von
ihrem Arbeitsgegenstand ähnlich groß wie in der materiellen Produktion ist.
Wenigstens war den RBI-Leuten diese objektive Lage einigermaßen bewußt,
während in der Intendantenhöhe des DLF reiner Zynismus und Vernichtungswille
herrschte. Edmund Gruber: "Nun ist die Nachkriegszeit vorbei!" Ich: "Also
ist jetzt Krieg?" Der Choleriker bekam einen Wutanfall, sein Pressesprecher
wollte das abbrechen. Byzantinisches Verhalten, liebedienerisch, widerlich.
Das Gebäude am Raderberggürtel mit dem dringen Wunsch verlassen, duschen zu
müssen.

Was Repressalien angeht: Auch hier darf man sich nicht wundern, wenn der
Staat auf die Einhaltung von Gesetzen besteht. Mich wollte man ja noch in
den späten 1980ern am liebsten zwei Jahre im Gefängnis sehen, weil ich
Rundfunk im OIRT-Band hörte. Selbst nach einem gewonnen Prozess konnten
diese Repressalien erst durch eine Anfrage im Bundestag abgestellt werden.
Achja, BRD, im übrigen.

73 Nils (leider noch viele Jahre lang Erwerbsarbeiter und also sich nicht so
sehr um die möglicherweise kritische Begleitung heutiger im irgendwie
staatlich-öffentlich finanzierten Weichbild agierender
Interpretationsversuche der Vergangenheit sich kümmern könnend)



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-liste@xxxxxxx [mailto:owner-liste@xxxxxxx] Im Auftrag von
Harranth
Gesendet: Thursday, June 11, 2009 7:21 AM
An: liste@xxxxxxx
Betreff: AW: [A-DX] Ham Radio 2009 (war: Wiener Sammlung vs. Archiv)

> Hat das Alles was mit Radiohören zu tun?
Ja, hat es, wenn man unsere ursprüngliche Mitteilung berücksichtigt - auf
die fast keine Reaktion kam - und nicht die darauffolgenden Aberrationen:

Bei der "Wende" wurden - wie bei jedem gesellschaftspolitischen Umbruch -
viele Unterlagen vernichtet (diesmal in stillschweigendem Einverständnis der
Kontrahenten). Vieles befindet sich noch in Privatbesitz. Dies und das -
jedenfalls mehr als andere - erreichte uns: Vorlässe von Hörern; Material,
das jemand der Vernichtung entzogen hatte; Recherchiertes aus anderen
Archiven; das Ergebnis unseres eigenen Forschungsantrags bei der
Bundesbehörde; als Ergebnis von drei Jahren Arbeit an einer Dissertation
(von der wir Ausschnitte ins Netz gestellt haben; mehr soll folgen).

Das ist die "Aktenlage", wie sie jetzt vorliegt. Und daraus resultiert das
Bild, das "man" sich heute von der Situation damals macht. Und wir fragen:
Wie sehr entspricht es den Erfahrungen und Wirklichkeiten der Betroffenen?
Wie (er)ging es den Dxern in ihrer Realität? Welche Möglichkeiten
hatten/fanden sie? Welchen Repressalien waren sie ausgesetzt? Unter welchen
Bedingungen haben die Rundfunkleute gearbeitet - z.B. jene, die Sendungen
für DXer gestalteten? Wie haben sich die Funkamateure mit dem System
arrangiert? Usw. usw.

Zwei willkürlich herausgegriffene Beispiele:

Wie stellt sich einem Nachgeborenen dar die Ausschreibung einer
"Kampfsportübung zur Stärkung der Abwehrkräfte gegen die ideologische
Unterwanderung durch elektronische Maßnahmen feindlicher Elemente aus dem
nichtsozialistischen Ausland..." (etc.) als Begründung, um einen harmlosen
Fieldday abhalten zu können?

Wir haben wir von ROI unsere Erfahrungen einzuordnen in der Betreuung von
Hörern aus der DDR? Haben meine codierten Meldungen, haben unsere zig
Deckadressen, haben unsere Durchsagen etc. etwas bewirkt? Wie ist zu
bewerten, dass ich durch vorübergehende Festnahme von einer vereinbarten
Begegnung mit dem RBI-Intendanten abgehalten wurde, dass ich vor einer
Materialübergabe aus der CSSR unter Militärschutz abgechoben wurde? 

Natürlich können wir nur einen unrepräsentativen Ausschnitt aus all diesen
Wirklichkeiten erwarten - aber wir hoffen auf regen Zuspruch am Stand und
beim Treffen und auf eine dem besseren Verständnis aller Beteiligten
dienende Diskussion.

Dies alles berechtigte also durchaus einen Hinweis in dieser Liste. Und es
wäre schön, wenn Reaktionen darauf - sofern sie überhaupt erfolgen -
unpolemisch bleiben und der Sache dienen. 

Wolf 
    


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Wolf Harranth OE1WHC
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